Claudia Banz ist seit Anfang Jahr Direktorin der Abteilung für Angelegenheiten des UNO-Sicherheitsrates. Im Gespräch mit SRF 1 gesteht sie, dass Reformen des wichtigsten Gremiums der Vereinten Nationen wichtig wären, aber schwierig zu bewerkstelligen sind. Und sie verrät, warum sie Streitereien wichtig findet.
Radio SRF 1: Wie definieren Sie Frieden?
Claudia Banz: Frieden ist für mich, wenn es keinen gewaltsamen Konflikt hat, wie wir das jetzt leider in sehr vielen Teilen der Welt sehen. Ich glaube, es ist Stabilität. Es ist nicht «Friede, Freude Eierkuchen»; dies ist meines Erachtens nicht erstrebenswert. Sondern, dass die Menschen ohne Angst leben können. Dass sie eine gewisse Stabilität haben, ohne Angst zu haben, dass morgen oder übermorgen alles anders ist. Ich glaube, das ist Frieden für mich.
Es gibt keinen Frieden, ohne dass man sich damit auseinandersetzt, was jemandem passt und was nicht.
Abwesenheit von Gewalt, aber gleichwohl: Diskussionen dürfen und müssen stattfinden?
Ich glaube, das ist ganz wichtig. Es gibt keinen Frieden, ohne dass man sich damit auseinandersetzt, was jemandem passt und was nicht. Probleme müssen angesprochen werden. Das ist nicht immer einfach, aber es gehört dazu.
Sind Sie ein friedlicher Mensch?
(überlegt lange) Ich glaube, ich bin im Frieden mit vielen Sachen und mit vielen Leuten. Ich versuche es zumindest. Ich habe auch Auseinandersetzungen. Zwischendrin regt mich auch etwas auf. Dann spreche ich es aber an – nicht, dass sich Dinge anstauen.
Auch wenn die UNO so polarisiert ist wie noch nie, ist es wichtig, einen Ort zu haben, wo man sich trifft und wo man sich streiten und hoffentlich einigen kann.
Das Ziel Nummer 1 der Vereinten Nationen ist es laut UNO-Charta die «Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit». Wenn man den Zustand der Welt momentan anschaut, ist dieses Ziel in weiter Ferne.
Ich bin einverstanden. Es ist ein ganz schwieriges Jahr gewesen. Als ich im Januar meinen Job angetreten habe, war die Situation im Nahen Osten zwar sehr angespannt, aber es hat noch keinen Krieg gegeben. Im Sudan hat es auch noch keinen Krieg gegeben. Es ist meines Erachtens dennoch wichtig, Entscheidungen innerhalb der UNO zu treffen. Auch wenn es schwierig ist und die UNO so polarisiert ist wie noch nie. Aber ich glaube immer noch: Es ist besser, dass man einen Ort hat, wo alle zusammenkommen; wo wenigstens geredet, gestritten wird – Konflikte ausgetragen werden.
Woraus schöpfen Sie Hoffnung in solch hoffnungslosen Situationen?
Es hilft, wenn man an verschiedenen «schwierigen Orten» gewesen ist. Ich war vor 20 Jahren im Kongo. Als ich das erste Mal dort angekommen bin – das war nach dem zerstörerischen Bürgerkrieg, bei dem sechs verschiedene Armeen aus den Nachbarländern Truppen entsandt haben und das Land wirklich am Boden war. Anfänglich war ich da in einer Art Schockstarre. Danach habe ich jedoch den Kongo zu schätzen gelernt. Ich habe von den Menschen dort Zuversicht gelernt. Obwohl das Leben unendlich schwierig für sie ist, konnten sie lachen und waren lustig. Dafür bewundere ich sie noch heute.
Das Gespräch führte Magnus Renggli.