Wenn der verstorbene Onkel in Sachen Geld keine glückliche Hand hatte oder wenn man vermutet, dass die Eltern bei ihrem Ableben in Geldschulden steckten, kann man die Erbschaft ausschlagen. Es gibt Menschen, die lassen es darauf ankommen, auch wenn die Verhältnisse nicht klar sind. Das ist eine Frage der persönlichen Risikobereitschaft. Bei Nichtmateriellem hat man aber keine Wahl.
«Hilfe, ich erbe!»: Immaterielles Erbe kann man nicht ausschlagen
Beim Erben von genetischen Eigenschaften gilt es, sich mit dem Ererbten zu arrangieren. Dies zeigt die aktuelle Ausstellung «Hilfe, ich erbe!» im Berner Generationenhaus.
Ein Rucksack voller Erbsachen
Körperliche Merkmale, persönliche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften trägt man wie in einem Rucksack durchs Leben. Hat man Glück, gefällt einem das eigene Äussere: die Form seiner Nase, der Kirschmund, die eigene Körperlänge.
Oder man arrangiert sich mehr oder weniger mit dünnem Haar, Glatze, Krampfadern oder abstehenden Ohren.
Der Ehrgeiz von der Mutter und die Musikalität vom Vater
Wie beim Erben von Geld und Immobilien, ist auch die Vererbung von Fähigkeiten und Charaktereigenschaften eine Glücksache. Sinn für Humor, Mut, Kontaktfreudigkeit, Ehrgeiz, Sprachgefühl, handwerkliches Geschick oder Sinn für Zahlen nimmt man gerne als Erbe an.
Man erbt auch, was man nicht haben oder sein möchte
Anders sieht es bei negativ konnotierten Eigenschaften aus. Diese würde man als Erbe liebend gerne ausschlagen: Hang zu Geiz, Ängstlichkeit oder Depressionen. Auch für mangelnde Fähigkeiten, wie fehlendes Organisationstalent, oder Schreibschwäche kann man sich nicht erwärmen.
Ein Risiko für bestimmte Krankheiten, ein Suchtverhalten oder psychische Beeinträchtigungen stehen ebenfalls nicht auf der Erb-Wunschliste. Ein Erbe kann also Fluch oder Segen sein. Die Ausstellung zeigt auch: Das «Erbe» muss man zwar übernehmen. Immerhin kann man aber bei vielen dieser genetisch bedingten «Erbstücke» etwas entgegensetzen, sie abschwächen oder eigene positive Eigenschaften stärken.
Familiengeschichte begleiten einen durchs ganze Leben
Auch die Familiengeschichte prägt einen. Wie Eltern mit ihren Familien Feste feiern, prägt einen fürs Leben. Auch die Weltanschauung überträgt sich auf die Kinder, und sei es in der Form, dass diese sich als Erwachsene davon absetzen.
Menschen weltweit erleben Kriegstraumata und fangen als Geflüchtete in einem neuen Land von vorne an. Das prägt auch ihre Kinder. Jüdisch, als Muslim oder als Christin geboren hat einen Einfluss auf die eigene Biografie. Menschen, die adoptiert wurden, suchen ihre Wurzeln. Und wer als Kind das Geschäft des Vaters oder der Mutter nicht weiterführen will, lebt mitunter zeitlebens mit einem schlechten Gewissen.
Das persönliche Verhältnis zum eigenen Erbe rückt in den Fokus
Unsere Gesellschaft ist sich gewohnt, sich in einer Welt der vielen Möglichkeiten die gewünschten Optionen auszusuchen und umzusetzen. Immaterielles Erbe schränkt diese freie Wahl ein. Wir nehmen zwangsläufig an einer «Geburtenlotterie» teil: In welcher Familie und in welchen Einkommensverhältnissen wachsen wir auf? Wie prägt uns unsere Umwelt? Mit welchen Charaktermerkmalen leben wir? Welche Traditionen wurden uns vorgelebt? Welches Wertesystem und welche politische und religiöse Einstellung haben uns die Eltern mitgegeben?