Herr und Frau Schmid sitzen auf dem Sofa im Therapiezimmer des Forensischen Instituts Ostschweiz. Ihren richtigen Namen möchte das nicht verheiratete Paar nicht nennen. Er ist nicht kernpädophil, er ist hebephil. Das heisst, er fühlt sich von Mädchen im Pubertätsalter und erwachsenen Frauen angezogen.
Die beiden wollen nebeneinandersitzen, sich im Interview gegenseitig unterstützen. Sie wirken sehr vertraut. Kennengelernt haben sie sich erst nachdem er sich wegen Konsum von Kinderpornographie im Internet strafbar gemacht hat. Er sass ein halbes Jahr in Untersuchungshaft und bekam 50 Monate aufgeschoben zu Gunsten einer ambulanten Therapie.
Offen erzählen die beiden über eine schöne Beziehung mit einem ausgefüllten Sexleben. Und darüber, wie sie gemeinsam mit der Präferenz von Herrn Schmid umgehen.
Seine Präferenz und seine Tat führen immer wieder zu Gesprächen.
Nach der Untersuchungshaft hat Herr Schmid sein Leben komplett geändert. Zuvor war der Hochschulabsolvent in einer leitenden Position. Je mehr Stress er hatte, desto mehr habe er konsumiert. Damit er nicht rückfällig wird, arbeitet er heute als Angestellter mit weniger Verantwortung, vermeidet Stresssituationen.
Outing als einzigen Weg
Herr Schmid war sich bewusst, möchte er die noch frische Beziehung zu seiner jetzigen Partnerin behalten, muss er mit ihr offen über seine Präferenz sprechen. Auch, weil er regelmässig zur Therapie musste. Er outete sich, als die Beziehung erst ein paar Monate alt war. Es habe ihr den Boden unter den Füssen weggezogen, sagte seine Partnerin.
Garantieren, dass Herr Schmid nicht rückfällig wird, können beide nicht. Sie versuchen aber alles, dass er nicht wieder zum Täter wird.
Kein Täterschutz
Das Forensische Institut Ostschweiz arbeitet derzeit mit rund 70 pädophilen Männern. Vier von fünf Patienten melden sich freiwillig für die Therapie an. 20 Prozent davon haben noch keine Übergriffe begangen. Viele sind straffällige Täter, die nicht rückfällig werden wollen. Betreibt man da keinen Täterschutz und vergisst die Opfer? «Nein, wir arbeiten mit den Tätern und machen damit Opferschutz», sagt Monika Egli-Alge, Psychologin und Geschäftsführerin des forensischen Instituts Ostschweiz.
Ob die Arbeit allerdings auch Früchte trägt, ist offen. Es bräuchte Jahrzehnte, um wissenschaftlich zu belegen, wie hoch die Rückfallquote ist. Seit der Gründung des Instituts haben rund 80 Männer und eine Frau eine Therapie abgeschlossen: Reiche, Arme, Gebildete, Ungebildete, Verheiratete, Ledige, junge und ältere, sagt Monika Egli-Alge.
Kein Täter werden
Das Institut Forio gründete Egli-Alge 2003 in Anlehnung an das deutsche Projekt und die Kampage «Kein Täter werden» von Charité Berlin. Ziel ist es, pädophile Menschen zu erreichen bevor sie übergriffig werden.
Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch und die SVP-Alt-Nationalrätin und heutige Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli möchten ähnliche Kampagnen: Sie haben den Bundesrat vor knapp drei Jahren mit einem Postulat beauftragt, die Wirkung von Präventionsprojekten für Pädophile zu untersuchen.