Einseitige Verkehrsführung hier, Ampeln und Baustellenlärm da: Was sich für Verkehrsteilnehmende mühsam anfühlt, leistet schon jetzt einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. «Fast in allen Schweizer Städten und grösseren Gemeinden werden aktuell Fernwärme- und Fernkälteprojekte umgesetzt», sagt Martin Liechti, Stellvertretender Geschäftsführer Thermische Netze Schweiz. «Hunderte weitere Netze sind bereits seit Jahrzehnten in Betrieb.»
Der Ausbau trägt zur Dekarbonisierung der Schweiz bei und ist Teil der Energiestrategie 2050 des Bundes. Aber er ist durchaus kostspielig und aufwändig. Allein die Stadt Zürich investiert in den nächsten Jahren über eine halbe Milliarde Franken in den Ausbau solcher Netze.
Das braucht es für den Fernwärmeverbund
Ein thermisches Netz ist eine Art grosse Zentralheizung, respektive zentrale Kälteanlage, die nicht nur ein Gebäude, sondern ganze Quartiere oder Stadtteile versorgt. Das Grundprinzip geht zurück auf die Römer.
Dazu braucht es im Wesentlichen drei Dinge: eine Energiequelle, eine Energiezentrale und ein Rohrleitungssystem zur Verteilung der Wärme und Kälte. Als Energiequelle dient zum Beispiel die Abwärme aus Industrieprozessen, von Kehrichtverbrennungsanlagen, Rechenzentren oder aus der Abwasseraufbereitung. Aber auch Seewasser, Geothermie oder Holz wird genutzt, um thermische Netze erneuerbar zu betreiben.
So funktionieren thermische Netze
Grundsätzlich geht es darum, den Energiequellen in einer Zentrale die Wärme- oder Kälteenergie zu entziehen. Damit wird eine Trägerflüssigkeit, oft Wasser, erwärmt oder abgekühlt. Das Wasser zirkuliert in einem geschlossenen System, dem eigentlichen thermischen Netz, das die Gebäude versorgt. Danach kehrt es zurück in die Zentrale und kann erneut Wärme oder Kälte transportieren.
Vor- und Nachteile der Technologie
Der Aufbau von thermischen Netzen benötigt aufgrund der Tiefbauarbeiten und der hochwertigen Materialien viel Geld. «Man muss berücksichtigen, dass es sich dabei um Generationenprojekte handelt. Die Netze haben eine Lebensdauer von über 50 Jahren», sagt Martin Liechti. «Dank dem, dass wir lokal produzierte Wärme oder Kälte verkaufen, lohnt sich die Investition für Mensch und Umwelt in der Region.»
Nebst den hohen Investitionen kritisieren Fernwärmegegner die Abwärmenutzung der Müllverbrennung. Man solle den Fokus viel mehr aufs Rezyklieren des «Güsels» legen, statt sich von dessen Verbrennung abhängig zu machen. «Den Kehricht perfekt nach seinen Ausgangsstoffen zu trennen und diese zu rezyklieren ist definitiv wünschenswert», sagt Martin Liechti. Die Realität sieht allerdings anders aus. «Deshalb ist es wichtig, die Abwärme der Anlagen sinnvoll zu nutzen. Anstatt sie verpuffen zu lassen, heizen wir heute ganze Städte damit.»
Thermische Netze haben ein grosses Potenzial und zahlreiche Vorteile (siehe Box). So sind zum Beispiel die Kosten für die Kundschaft von Fernwärme und -kälte durchaus vergleichbar mit jenen herkömmlicher Heizungssystemen. Martin Liechti: «Dank des Ausbaus sind wir in der Lage, bis 2050 bis zu 30 Prozent des Schweizer Wärmebedarfs erneuerbar zu decken.» Das ist ein wichtiger Beitrag zur Dekarbonisierung des Landes. «Damit vermeiden wir rund 10 Prozent der landesweiten Treibhausgas-Emissionen.»