Zum Inhalt springen
Video
Christof Franzen, Sonderkorrespondent: «Mit diesem Satz könntest du dich in Gefahr bringen»
Aus Radio SRF 1 vom 14.02.2024.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 36 Sekunden.

Weiterleben in Russland Christof Franzen über das Arbeiten als Journalist im Lande Putins

Wie ist es, als westlicher Journalist in Russland zu arbeiten? SRF-Sonderkorrespondent Christof Franzen spricht über seine neuste Reportagereise durch die ostsibirische Republik Buratjen, den Kaukasus und den Norden Russlands.

Christof Franzen

SRF-Sonderkorrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Christof Franzen ist Redaktor für Dokumentarfilme und Reportagen. Er arbeitet seit 2003 für SRF und kehrte 2018 nach 13 Jahren als Russland-Korrespondent in die Schweiz zurück. Seither reiste er für verschiedene Produktionen immer wieder nach Russland.

Radio SRF 1: Wie war es für Sie, diese Reportage in Russland zu drehen?

Christof Franzen: Seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat, ist es viel schwieriger, in Russland zu arbeiten. Viele Menschen haben Angst oder Respekt gegenüber Journalisten aus dem Westen. Sie sind nach wie vor sehr gastfreundlich, aber wenn es darum geht, politische Aussagen zu machen, sind sie viel zurückhaltender. Manchmal hat man noch ein anderes Problem. Dann, wenn sie zu viel erzählen, muss man sagen: «Mit diesem Satz könntest du dich in Gefahr bringen, den kann ich nicht nehmen.»

Wurden solche «heiklen» Sätze in den Reportagen dann verwendet?

Ja, wir haben solche Aussagen auch schon verwendet, dann wurde am Schnittplatz aber entschieden, die Gesichter der Menschen unkenntlich zu machen.

Es gibt keine klaren Grenzen, was man sagen darf und was nicht.

Das ist unglücklich, weil es sich um Menschen handelt, die wichtige Dinge sagen. Es ist eine Gratwanderung. Es gibt keine klaren Grenzen, was man sagen darf und was nicht. Wir kommunizieren immer klar, dass wir von SRF sind und dass es im TV gezeigt und auch online publiziert wird.

Mussten Sie sich bei kontroversen Meinungen zurückhalten?

Man muss sich immer wieder sagen: «Ich bin nicht hier, um den Menschen zu zeigen, was in der Ukraine tatsächlich läuft.» Man muss kritisch nachfragen und die Positionen hinterfragen. Aber am wichtigsten ist es, darzustellen, wie die Menschen denken und funktionieren. Und nicht, sie von ihrer Meinung abzubringen oder von etwas anderem zu überzeugen.

Was waren die Herausforderungen beim Dreh?

Die Anreise ist bereits eine Herausforderung. Ich selbst fliege nicht mehr gerne Inland, weil die Russen immer noch westliche Flugzeuge haben, aber keine Ersatzteile mehr dafür erhalten oder nur auf fragwürdigen Umwegen. Es gab deshalb schon einige Zwischenfälle. Nach Sibirien und zurück mussten wir aber fliegen. Auf dem Rückflug gab es tatsächlich eine Notlandung. Aber nicht wegen eines technischen Problems, sondern wegen einer Schlägerei im Flugzeug.

Sendehinweis «Reporter»

Box aufklappen Box zuklappen

«Weiterleben in Putins Russland» ist eine zweiteilige Serie von Christof Franzen, in der er versucht zu verstehen, warum in Russland die Meinungen der Menschen zum Angriffskrieg in der Ukraine so weit auseinanderliegen.

Die beiden Teile sind auf Play SRF verfügbar.

Befürchten Sie, festgenommen zu werden bei einer Rückkehr nach Russland?

Das wäre natürlich eine Extremsituation. Als Westler bekommt man die Akkreditierung, um in Russland zu arbeiten nur noch für dri Monate. Das grösste Risiko ist, diese Akkreditierung zu verlieren und nicht mehr in Russland arbeiten zu dürfen. Es gab eine Festnahme eines Korrespondenten vom «Wall Street Journal», Evan Gershkovich. Er wurde wegen Spionage verhaftet, als er im Ural zur russischen Panzerproduktion recherchierte.

Was bewegt die Menschen in den Gebieten, wo Sie unterwegs waren, an die Front in der Ukraine zu gehen?

Das ist die grosse Frage. Das Geld spielt in diesen Regionen natürlich eine wichtige Rolle. Es ist vielfach auch eine Art Männlichkeitsbild. Viele sagten: «Meine Freunde sind schon da. Freunde, die gestorben sind. Jetzt möchte ich auch gehen.» Bei anderen hat man teilweise das Gefühl, die wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen.

Es gibt junge Männer, die denken, sie verteidigen Russland in der Ukraine.

Dann gab es auch viele Häftlinge, die freiwillig gingen, damit sie später amnestiert werden. Teilweise ist es auch Patriotismus, wobei Desinformationen und Propaganda eine Rolle spielen. Es gibt junge Männer, die denken, sie verteidigen Russland in der Ukraine, sie kämpfen gegen den «kollektiven Westen», wie man in Russland sagt.

Das Gespräch führte Lars Epting.

SRF 1 «Reporter», 7.02.2024, 21.00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel