Darum geht es: In Russland findet heute eine Anhörung des inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich statt. Der Korrespondent des «Wall Street Journal» war Ende März in Russland unter Spionagevorwürfen verhaftet worden. Moskau beschuldigt ihn, geheime Informationen über die Rüstungsindustrie gesammelt zu haben. Das «Wall Street Journal» und die USA weisen die Vorwürfe als falsch zurück.
Das passierte heute: Gershkovichs Anwälte hatten gegen die verfügte Untersuchungshaft Berufung eingelegt. Das Stadtgericht in Moskau hat heute Dienstag den Antrag der Verteidigung abgelehnt, den Korrespondenten auf freien Fuss zu setzen. Es bestätigte damit die zunächst bis zum 29. Mai angesetzte Untersuchungshaft, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete. Gershkovichs Anwältin Tatjana Noschkina sagte, dass der 32-Jährige die Anschuldigungen von sich weise. SRF-Russland-Kenner Calum MacKenzie hat mit diesem Urteil gerechnet: zu politisch sei der Fall, zu heftig die Spionagevorwürfe der russischen Behörden.
So argumentiert der Kreml: Der US-Journalist sei auf frischer Tat beim Spionieren ertappt worden, es gebe eindeutige Beweise, werfen ihm die russischen Behörden vor – freilich ohne solche vorzulegen. Gershkovich war Ende März in der Grossstadt Jekaterinburg im Ural vom Geheimdienst FSB festgenommen worden. «Die Vorwürfe sind absurd», sagt MacKenzie. Trotzdem geht der SRF-Redaktor angesichts der schweren Vorwürfe davon aus, dass Gershkovich vor Gericht schuldig gesprochen werden wird. «Das haben die russischen Behörden bereits so entschieden.»
Die russischen Behörden haben bereits entschieden, dass Gershkovich verurteilt wird.
Das steckt dahinter: Die Verhaftung und die Spionagevorwürfe gegen den US-Journalisten bedeuteten «eine massive Eskalation» im Verhalten der russischen Behörden gegenüber ausländischen Medien, ist MacKenzie überzeugt. «Da steckt Kalkül von ganz oben dahinter.» Der Kreml wolle die ausländischen Medienschaffenden einschüchtern, habe sich mit Gershkovich aber auch ein Mittel in die Hand gebracht, beispielsweise für einen Gefangenenaustausch mit den USA. «Damit kann das russische Regime gleich zwei Ziele auf einmal verfolgen.»
Es kann Monate oder gar Jahre dauern, bis Evan Gershkovich allenfalls freikommt.
So könnte es weitergehen: Für die USA ist es wichtig, Gershkovich freizubekommen. «Normalerweise dauert es aber eine gewisse Zeit, bis ein Gefangenenaustausch zustande kommt», sagt MacKenzie. Moskau bleibe bei den Verhandlungen jeweils sehr hart – bis es den besten Deal bekomme. «So war die Freilassung des russischen Waffenhändlers Viktor Bout ein grosser Erfolg für Russland», so der SRF-Redaktor. Auch für Gershkovich werde Moskau einen gewissen Preis fordern. Deshalb: «Es kann Monate oder gar Jahre dauern, bis er allenfalls freikommt.»