Wer davon ausgeht, dass sein Telefonanruf bei Onkel Jack in Australien oder sein Video-Abruf bei einem Youtube-Rechenzentrum in den USA über einen Satelliten läuft, irrt. Über 90 Prozent des Sprach- und Internetverkehrs gehen über Kabel, die durch die Ozeane verlegt sind. Sie bieten mehr Übertragungskapazität, sind zuverlässiger und verursachen bei Telefongesprächen keine Echos oder Verzögerungen und dann ist es erst noch billiger, eine solche Leitung zu verlegen.
Wasserwege spielen also nicht nur beim Transport unserer Güter eine tragende Rolle, sondern auch bei unseren Daten. Oft benutzen die Kabel sogar ähnliche Routen. So verläuft beispielsweise der South American Pacific Link entlang dem Panama-Kanal.
Die Geschichte der Unterseekabel begann indes nicht erst, seit wir auf Facebook sind oder Netflix streamen. Sie reicht über 150 Jahre zurück und startete mit einem Flop.
1857: Erstes Transatlantik-Kabel für Datenübertragung
Die Atlantic Telegraph Company wollte in den 1850er Jahren ein rund 4000 Kilometer langes Kabel durch das Meer legen – von Neufundland nach Südwestirland. Das Kabel war gut einen Zentimeter dick und sollte die neue Welt – Nordamerika – mit Telegrafie an die alte Welt – Europa – anbinden.
Da die Kabeltrommel zu schwer war für ein einziges Boot, stachen zwei Schiffe ins Meer, eines gehörte der U.S. Navy, das andere war ein britisches Passagierschiff. Beide Schiffe transportierten je die Hälfte des Kabels auf einer Kabeltrommel – mitten auf dem Meer wollte man die beiden Kabel dann aneinander spleissen, so der Plan.
So weit kam es nicht. Nachdem die Mannschaft gut 500 Kilometer Kabel ins Wasser gelassen hatte, riss die Leitung und versank im Meer.
Die Geburt des «Ur-Internet»
Mit neuem Geld und Elan startete ein paar Monate später die nächste Expedition – diesmal mit Erfolg. Am 5. August 1858 war zum ersten Mal eine Verbindung zwischen dem europäischen und dem nordamerikanischen Telegraphen-Netz möglich. Eine Art «Ur-Internet» war geboren, der Zusammenschluss zweier Netze.
Es war der Anfang einer rasanten Verkabelung unserer Meere und Gewässer. Schon zehn Jahre später wurde beispielsweise ein Seekabel von der Insel Malta nach Alexandria in Ägypten verlegt. Das Teilstück Verband ab 1870 indirekt London mit Bombay.
Die Karte der Unterseekabel zählt aktuell rund 360 Kabel, die unsere Kontinente miteinander verbinden. Statt Kupferkabel sind es heute Glasfasern, deren Kapazität fast grenzenlos ist.
Dennoch kommen immer wieder neue Kabel dazu auch von Firmen, die neu in diesem Geschäft sind, wie zum Beispiel Microsoft oder Facebook. Die beiden wollen gemeinsam ein neues Transatlantikkabel bauen, das alle bisher verfügbaren Leitungen weit übertrumpft und über das gigantische Datenmengen der eigenen Dienste schnell zu uns fliessen sollen.
Das Kabel muss 6600 Kilometer überwinden und führt vom US-Bundesstaat Virginia nach Bilbao in Spanien. Eine ungewöhnliche Route, liegen die meisten Kabel heute doch zwischen dem Norden der USA und Nordeuropa. Über acht Glasfaserstränge soll das Kabel dereinst eine Kapazität von 160 Terabit pro Sekunde bereitstellen, viel mehr als die aktuell schnellsten Kabel schaffen wie zum Beispiel das Ende 2015 verlegte AEC Connect, das «nur» auf 40 Terabit pro Sekunde kommt – wobei 40 Terabit pro Sekunde 800'000 Internetanschlüssen entsprechen mit einer Geschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde unter Dauerbelastung. Im realen Einsatz passen noch viel mehr «Anschlüsse» in so ein Kabel, da nie alle Kunden zusammen nonstop die ganze Bandbreite beanspruchen.
Fischers Fritz fischt frische Gigabits
Solche Datenschläuche verbinden nicht nur Kontinente: Wenn im Bodensee Daten Fische wären, hätte Fischers Fritz Freude weil mehr als genug zu fangen. Von Friedrichshafen nach Konstanz führt nämlich seit 2007 ein fast 30 Kilometer langer, 25mm dicker «Gartenschlauch». Unter der Isolationsschicht versteckt sind 192 Fasern. Jede kann theoretisch mehrere hundert Megabits an Daten pro Sekunde transportieren.
2010 folgte ein zweites Kabel, es führt von Meersburg nach Konstanz. Mit den beiden Kabeln konnten die Stadtwerke Konstanz das Breitbandnetz in der deutschen Bodenseeregion erweitern – und das zu einem Bruchteil der Kosten eines Kabels, das unter dem Boden verlegt wird.
So ist es nur logisch, dass bereits ein drittes Seekabel in der Region in Planung ist. Mit ihm soll die Halbinsel Höri mit schnellem Internet versorgt werden. Ein Kabel über den Landweg auf deutscher Seite wäre zu teuer, durch den Untersee von Steckborn nach Gaienhofen geht die Rechnung aber auf.
Peering: Wie aus den Kabeln das Internet wird
Ob Kabel im Meer, im See oder an Land: Damit aus den unterschiedlichsten Netzwerken ein einziges Netz wird, also das Internet, müssen sich die Kabel an den Berührungspunkten untereinander austauschen. Wie Kreisel im Strassenverkehr den Strom der Autos kanalisieren, sorgen sogenannte Internet Exchanges zwischen den Kabeln dafür, dass die Datenpakete die «Spur» wechseln können.
Grosse europäische Internet-Austauschpunkte stehen in Frankfurt (DE-CIX) und in Amsterdam (AMS-IX). In der Schweiz sorgen mehrere Peering-Points dafür, dass Daten innerhalb der Schweiz möglichst direkt in die verschiedenen Netze fliessen. Neun Exchanges betreibt die Stiftung Swiss IX. Wie ihr Austauschpunkt in einem Rechenzentrum in Glattbrugg aussieht und wie schwer es ist, da hineinzukommen, zeigt das Video.
Austauschpunkte und Kabel verkörpern das Internet. Es sind die Orte, bei denen das virtuelle Internet physisch wird. Internet zum Anfassen. Die Fotogallerie zeigt eine «Reise mit einem Datenpake»t: Vom Bodenseekabel über die Landesgrenze bis zur Dose ins Haus.