Selbstoptimierung ist längst auch in unseren Schlafzimmern angekommen: Heute gehört zum perfekten Leben auch guter und erholsamer Schlaf. So erreichen uns aus Hollywood und besonders aus den Sozialen Medien immer neue Trends. Das geht vom Salatwasser über Melatonin-Gummibärchen bis zur perfekten Schlaf-Playlist.
Was ist von den vielen Schlaf-Trends zu halten? Christine Blume, Psychologin und Schlafforscherin an der Universität Basel und den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, klärt auf.
1. Schlafen wie Ronaldo: Sleep Hacking
«Sleep Hacking» meint diverse Methoden, um den Schlaf effizient zu gestalten. Die Idee ist, dass man die Schlafenszeit so einrichtet, dass sie so erholsam wie möglich und auch so kurz wie möglich ausfällt.
Ein Beispiel von «Sleep Hacking» ist der sogenannt polyphasische, der mehrphasige Schlaf. Bekanntester «Anhänger» davon ist Cristiano Ronaldo – wie sein Schlaf-Coach vor einigen Jahren in einem Interview sagte. Demnach schläft Ronald eben nicht 8 Stunden am Stück, sondern 5 Mal am Tag jeweils 90 Minuten. Im Netz sind auch Modelle bekannt, bei denen nur etwa 20 Minuten am Stück geschlafen wird, dafür mindestens 6 Mal am Tag.
Expertin Christine Blume sagt: «In einer breiten wissenschaftlichen Analyse hat sich herausgestellt, dass mehrphasiger Schlaf keinen Nutzen hat. Im Gegenteil: Die Probanden schlafen eher schlechter, sind reizbarer und ihre Leistungsfähigkeit fällt geringer aus.»
Auf Basis des aktuellen Forschungsstandes kann ich zum polyphasischen Schlaf nur sagen: Macht es nicht.
Das hat laut Blume unter anderem damit zu tun, dass der Schlaf am Tag selten so erholsam ist, wie in der Nacht. Hinzu kommt, dass auch der Einschlafprozess jeweils Zeit braucht. Zeit, die dann für den erholsamen Schlaf fehlt.
2. Aus der Hausapotheke zum TikTok-Trend: Salatwasser
Salatwasser zum Einschlafen ist ein Tiktok-Trend, der seit letztem Sommer zu beobachten ist: Unter #lettucewater finden sich auf der Plattform hunderte Videos, der Hashtag wurde weit über 35 Millionen Mal aufgerufen. Dabei geht es darum, dass Schlaflose abends Salatblätter in heisses Wasser einlegen und dieses Wasser dann trinken sollen.
Die Idee kommt nicht von irgendwo: Tatsächlich findet sich in Salatblättern der Stoff Lactucarium. In einer koreanischen Studie soll dieser bei Mäusen eine schlaffördernde Wirkung gezeigt haben. Doch was ist dran?
Für Schlafforscherin Blume ist Salatwasser als Einschlafhilfe eine skurrile Angelegenheit: «Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen gibt es nicht», stellt Christine Blume klar. So wurde den Mäusen in der genannten Studie auch ein Schlafmittel verabreicht.
Den Placebo-Effekt gibt es und er ist unglaublich stark. Das lässt sich natürlich nutzen fürs Einschlafen.
Beim Menschen wurde eine Verwendung von Salatblättern nicht speziell angeschaut. Blume sagt aber auch: «Wenn jemand das Gefühl hat, dass es hilft, tut es das vielleicht auch. Das aber wohl mehr wegen des Placebo-Effekts, als wegen des Salatwassers.»
3. Gute-Nacht-Playlist oder binaurale Töne
Können Geräusche, Töne und Musik uns beim Schlafen helfen? Darauf setzt der Trend mit sogenannten binauralen Klängen. Auf diversen Streaming-Plattformen gibt es entsprechende Playlists – mit Namen wie «Calm and Relax», «Peace» oder «Reset of the Mind».
Die Idee dahinter ist spannend: Dem linken und rechten Ohr werden via Kopfhörer zwei unterschiedliche Töne mit unterschiedlicher Frequenz vorgespielt. Im Gehirn, das zeigt die Forschung, entsteht dann ein neuer Ton. Seine Frequenz liegt genau in der Mitte der beiden ursprünglichen Töne. Das versucht man zu nutzen: Binaurale Töne sollen im Gehirn genau die Frequenz verstärken, die zum Beispiel in einer Entspannungsphase herrscht.
Wir können uns auch mit allerlei anderer Musik entspannen. Und Entspannung ist dem Schlaf ganz generell zuträglich.
«Die Theorie klingt sehr spannend», sagt Schlafforscherin Blume. «In Studien hat sich leider gezeigt, dass es in der Praxis nicht funktioniert». Dennoch gibt es viele Personen, die mit den Schlaf-Playlists leichter einschlafen, so Blume weiter.
Das hat vor allem damit zu tun, dass sich ein Entspannungseffekt einstellt. Der Mechanismus im Gehirn, der mit den binauralen Tönen beschrieben wird, steht wohl aber nicht dahinter.
4. Melatonin – gerne auch als Gummibärli
Melatonin ist gewissermassen das Hormon der Dunkelheit: Ein paar Stunden, bevor wir ins Bett gehen, steigt unser Melatonin-Spiegel an. Zunehmend wird es auch als Schlafmittel vermarktet: In Kapseln oder als Tropfen, in den USA neuerdings in Form von Gummibärchen. Dort ist es für immer mehr Menschen ein tägliches Nahrungsergänzungsmittel.
Schlafforscherin Christine Blume spricht dem Melatonin nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Nutzen zu: «Bei einem punktuellen Mangel kann Melatonin helfen. Das kann sein, wenn der Körper altersbedingt weniger Melatonin ausschüttet, oder beispielsweise bei einem Jetlag.»
Bei den meisten Menschen, die ihren Schlaf mit Melatonin verbessern wollen, erwarte ich keine grosse Wirkung.
Keine grössere Wirkung sieht Blume aber bei Personen, die für längere Zeit Hilfe beim Ein- oder Durchschlafen suchen. Die Expertin warnt sogar: «Melatonin ist ein Hormon und beeinflusst auch andere Funktionen des Körpers. Aktuell wird zum Beispiel diskutiert, ob es bei Jugendlichen den Pubertätsbeginn verzögert.» Hinzukommt laut Blume, dass eine gewisse Höchstdosis pro Tag nicht überstiegen werden sollte.
5. Hollywood macht’s vor: Clean Sleeping
«Clean Sleeping» ist der neuste Trend aus dem Hause Goop, der Onlineplattform von Hollywoodstar und Trendsetterin Gwyneth Paltrow. Bekannt ist das Unternehmen schon länger, insbesondere seit es eine Duftkerze verkauft hat, welche nach Paltrows Vagina riechen soll.
Mit «Clean Sleeping» haben Paltrow und Goop einmal mehr einen Lifestyle-Trend gesetzt, der weit über die USA hinaus Nachahmerinnen und Nachahmer findet. Es geht dabei darum, natürlich, ausreichend und bewusst zu schlafen.
Konkrete Tipps bei «Clean Sleepig» sind etwa: Schlafzimmer verdunkeln und Störfaktoren wie Smartphones draussen lassen. Regelmässige Schlafenszeiten einhalten und genug schlafen. Entspannen vor dem Zubettgehen, etc.
Bei Clean Sleeping heisst es, nicht übers Ziel hinauszuschiessen. Es soll weiter möglich sein, dass es mal anders läuft, zum Beispiel beim Einschlafen. Entspanntheit gegenüber Schlaf hilft oft schon sehr, um gut zu schlafen.
«Das ist super», sagt Expertin Christine Blume: «Gwyneth Paltrow hat es geschafft, einen Trend aus dem zu machen, was wir etwas unsexy 'Schlafhygiene-Regeln' nennen.» Clean Sleeping bezeichnet laut Blume relativ genau das, was die Schlafforscherinnen und Schlafforscher seit Jahren predigen: Routinen etablieren oder Störfaktoren meiden.
6. Apps, Uhren und Co.: Schlaftracker aller Art
Armbänder oder smarte Uhren versprechen, unseren Schlaf aufs Genauste zu messen – und zu verbessern. Und auch in den App-Stores gibt es sie mittlerweile massenhaft fürs Smartphone: Schlaftracker.
«Bei Schlaftrackern lohnt es sich, zuerst einmal hinzuschauen, was sie denn nun genau messen», erklärt Schlafforscherin Blume. Wird die Herzrate nämlich nicht erfasst, sind die Daten so ungenau, dass sich gerade mal die Zeit messen lässt, die jemand im Bett verbringt: «Dafür kann ich auch einfach auf die Uhr schauen», sagt Blume.
Wenn die App unter anderem die Herzrate berücksichtigt, kann sie zwar durchaus angeben, wie viel Zeit jemand zum Beispiel im Tiefschlaf verbracht hat. Das Grundproblem ist für Blume aber, dass die wenigsten gängigen Schlaftracker auch Tipps zur Verbesserung enthalten. Dementsprechend helfen sie auch wenig, um den Schlaf dann auch tatsächlich zu verbessern.
Was hilft mir die Rückmeldung aus der App, dass ich zu wenig Zeit im Tiefschlaf hatte, wenn ich nicht weiss, wie ich den Tiefschlaf verlängern kann?
Hilfreich sind die Apps ohne gleichzeitige Therapie nur dann, wenn sie mit konkreten Verhaltensanleitungen kombiniert sind. Apps, die ein echtes therapeutisches und wissenschaftlich fundiertes Angebot darstellen, haben laut Blume die Universitäten Freiburg und Salzburg zuletzt entwickelt.
7. Magische Düftchen und Lüftchen: Sleep Tonics
Wer sich im Netz zu Einschlaf-Tipps kundig macht, stösst schnell auf allerlei Düfte, Sprays, Öle und Aufgüsse: Wie wäre es mit einem Spray mit Minze und Lavendel? Erhalten soll man dafür sanftes Einschlafen und erholsame Nächte. Günstig ist das Ganze natürlich nicht: Rund 20 Franken kosten 30 ml des Sprays.
Bei vielen Mittelchen wie Tonics und Co. gilt, dass sie nur auf die Symptome einer Schlafstörung abzielen. Das ist wenig zielführend, wenn die Ursache der Schlafstörung nicht angegangen wird.
Schlafforscherin Blume meint: «In der Regel sind solche Toncis nicht wissenschaftlich untersucht. Sie sind also vor allem Marketingsprüche und Versprechen. Ob diese gehalten werden könne, ist fraglich, und aus dem Bauchgefühl heraus würde ich sagen: Eher nicht.»
Ein typisches Beispiel ist Lavendel. Der Pflanze wird laut Blume immer wieder eine schlaffördernde Wirkung zugesprochen. Die entsprechende Studienlage reicht aber nicht aus, um wirklich eine Empfehlung auszusprechen.
Zwei Tipps von der Expertin
Die aktuellen Schlaf-Trends – mit einer Ausnahme – bringen aus wissenschaftlicher Sicht also wenig. Doch was hilft denn nun bei Schlafproblemen? Forscherin Christine Blume hat zwei Tipps, welche durchaus zur Kategorie «Hausmittel» gezählt werden können, und die ohne Kauf von Hightech- oder anderen Produkten umsetzbar sind.
Erstens warme Fussbäder: «Mit kalten Füssen lässt sich nur schwer einschlafen, das hat einen physiologischen Grund», sagt Blume. Mit einem warmen Fussbad wird die Durchblutung der äusseren Blutgefässe gefördert. So wird ein Prozess unterstützt, der natürlicherweise vor der Schlafenszeit einsetzt: Die Temperatur im Körperinneren sinkt.
Und zweitens Tageslicht: «Wir wissen oft gar nicht, wie wichtig Tageslicht für unseren Organismus und auch für unseren Schlaf ist.» Aus Sicht der Forschung lautet die Empfehlung, mindestens 30 Minuten täglich unter freiem Himmel zu verbringen, so die Schlafforscherin. Denn die Forschung hat festgestellt, dass mehr Tageslicht während des Tages dazu führt, dass Menschen abends müder sind und in der Nacht mehr Zeit im Tiefschlaf verbringen.