«Du weisst aber schon, dass du dich auch ohne Konzerte – die dich ja sowieso nicht interessieren – volllaufen lassen kannst, oder?», hätte ich den Walliser fragen sollen, der gestern quasselnd mit seiner Kollegin an mir vorbeilief. Habe ich aber nicht. Ich wartete in diesem Moment gerade mit gefüllter Einkaufstasche zwischen den Knien und langweiliger Zigarette im Mundwinkel darauf, dass meine Tochter hoffentlich einigermassen glücklich mit ihren ersten Kindergartenerfahrungen zurückkehrt.
«(Die) Musik ist mir scheissegal.» Wie kriegt man diese Worte überhaupt aneinandergereiht? Da fühle ich mich wohl gerade so wie sich ein Veganer fühlen muss, wenn auf seinem Teller zwischen Couscous und Mango-Chutney eine vor fett triefende Schweinsbratwurst landet.
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Wie bescheuert ist es eigentlich, sich Tickets für ein Musikfestival zu kaufen, wenn einem die Musik egal ist? Diese Frage trage ich seit Jahren mit mir herum. Wieso treffen sich Leute an Konzerten um miteinander zu quatschen? Ist es nicht komplett absurd, sich an einen Ort zu begeben um etwas zu tun, was man an einem anderen Ort nicht nur auch, sondern vielleicht sogar viel besser tun könnte?
Wer braucht ein Hotelzimmer an einem tollen Strand um dort dann seine Mails zu checken? Wer stellt sich in die Schlange einer Kunstausstellung, weil er aufs Klo muss und weiss, dass er im Museum ein solches findet? Oder eben ganz einfach: Wer zum Teufel braucht ein Ticket für ein Musikfestival, um sich um den eigentlichen Kernpunkt des Anlasses keinen Deut zu scheren?
Mein Denkfehler bei der Sache ist wahrscheinlich, dass ich noch immer daran glaube, dass Openairs etwas mit Musik zu tun haben.
Beim Openair Gampel ist die Party der Headliner. Die Bands sind sekundär – aber nicht unwichtig.
Braucht Gampel zwei Bühnen?
Ganz ehrlich: Man könnte das Line-up des Openair Gampel locker auf die Hälfte reduzieren und nur mit einer Bühne arbeiten. Nicht unbedingt aufgrund der Qualität der Acts, sondern aufgrund des Interesses der Festival-Besucher und -Besucherinnen. In Gampel ist es auffällig häufig leer vor der Bühne wenn Bands auftreten. Leerer als wir das von anderen Openairs kennen.
Man könnte wahrscheinlich denselben Eintrittspreis verlangen, jedem und jeder dafür beim Einchecken ein paar grüne Bierdosen offerieren und alle wären mindestens so glücklich, wie sie es jetzt sind. Auch die Bands. Denn diese liefen viel weniger Gefahr, auf das für Künstlerinnen und Künstler unglaublich brutale Desinteresse einer Festivalgemeinde zu stossen.
Vielleicht könnte man in Gampel sogar ein Experiment wagen und das Line-up des gesamten Festivals auf eine einzige Band beschränken.
Mein Musikprogramm-Vorschlag für Gampel 2020:
- Donnerstag, 21.00: Die Toten Hosen
- Freitag, 21.00: Die Toten Hosen
- Samstag, 21.00: Die Toten Hosen
- Sonntag, 14.00: Katerfrühstück mit Campino
OK so für alle?