Maria Magdalena. Diesen Namen umgibt Mystik. Das liegt einerseits daran, dass sie als «Apostolin unter den Aposteln» angesehen wird, also als einzige Frau unter Männern, die Jesus von Nazareth begleiteten. Ausserdem soll sie bei dessen Auferstehung dabei gewesen sein. Viel hartnäckiger hielt sich aber, vor allem in Kirchenkreisen, das Gerücht, dass sie eine Prostituierte gewesen sein sollte, die Geliebte von Jesus und vielleicht sogar dessen Ehefrau. Von dieser Sichtweise hat sich der Vatikan unterdessen grösstenteils verabschiedet.
Auch in Hollywood sprangen sie auf das Thema an. In «Maria Magdalena» werben die Macher mit dem Slogan «Ihre Geschichte muss erzählt werden». Wir erwarten neue Erkenntnisse, vielleicht auch einen Twist, der geschichtlich nicht unbedingt belegt ist, eine eigene Interpretation von Regisseur Garth Davis («Lion»). Fehlanzeige.
SRF 3-Filmmann Laszlo führt durch die drei Phasen einer einzigen filmischen Enttäuschung.
1. Hohe Erwartungen
Muss die Geschichte der Maria Magdalena erzählt werden? Wäre schön, ja, denn über sie weiss man vor allem, dass man nichts weiss. Warum kommt diese Frau in den Evangelien vor? Hat sie tatsächlich der Auferstehung Jesu beigewohnt? Und viel spannender: War sie tatsächlich seine Geliebte?
Vielleicht wäre der Film zum Skandal geworden. Vielleicht hätten Exponenten der Kirche zum Boykott aufgerufen, wie das bei Mel Gibsons «Die Passion Christi» der Fall war. Wäre, wäre. Nichts davon wird geschehen.
Der Film verspricht, endlich ihre Geschichte zu erzählen. Für den Regisseur wäre es die Möglichkeit gewesen, den Mut zu beweisen, eine biblische Leerstelle mit eigener Interpretation zu füllen.
2. Diese Passivität!
Der fehlende Mut des Regisseurs ist es dann auch, der «Maria Magdalena» zu diesem langweiligen filmischen Stück Bibelgeschichte macht, das es ist. Das liegt wohl nicht an der Besetzung, denn mit Rooney Mara als Maria Magdalena und Joaquin Phoenix als Jesus wurden durchaus zwei Stars verpflichtet, die diesen Personen ihre persönliche Note hätten geben können.
Bei Maria hat man zu Beginn vielleicht noch Hoffnung: Ihre rebellische Ader treibt sie dazu, aus dem Elternhaus auszubrechen und sich dem angeblichen Messias anzuschliessen. Doch spätestens dann haben sich alle Beteiligten darum gedrückt, eine noch genauere Charakterisierung zu zeichnen. Spätestens nachdem der kauzige Jesus auftritt, der während des gesamten Mittelteils auch nicht mehr macht, als traurig in die Weltgeschichte zu blicken und eine Bibelphrase nach der anderen zu dreschen, verkommt Maria Magdalenas Figur zu einer gedrückten, passiven Frau, die nicht mehr machen möchte, als Jesus' Groupie zu sein. Wieso der Film also überhaupt nach ihr benannt wurde, ist wohl das erste grosse Rätsel des Kinojahrs 2018.
3. Gähnende Langeweile
Lediglich die schöne bildliche Umsetzung der biblischen Orte hält den Zuschauer nach knapp einer Stunde Rumgeknorze davon ab, vollends einzunicken. Zu berechenbar wird die Geschichte (was natürlich auch daran liegt, dass man weiss, was am Schluss geschehen wird), zu öde bleibt das Schauspiel – mal schluchzt Maria Magdalena, worauf sich Jesus wieder aus dem Staub macht, um einen Kranken zu heilen, dann schweigen sich alle Beteiligten, samt der anderen Apostel, wieder vielsagend an, um sich schliesslich in der nächsten Bibelphrase zu verlieren.
Bloss als es dann tatsächlich zur Kreuzigung kommt, als man erkennen kann, wie das letzte Abendmahl wohl hätte aussehen können, kommt noch einmal so etwas wie Spannung auf: Wie wird sich Maria Magdalena verhalten? Kommt jetzt der Twist, die verheimlichte Liebschaft? Nein. Am Rande erfahren wir, dass Judas Jesus wohl verraten hat; er ist übrigens der aktivste aller Charaktere, was den Film aber auch nicht sehenswerter macht. Das «Happy end» der Auferstehung ist zum Schluss wenig versöhnlich.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser blutleere Versuch von Bibelepos nicht die grossartigen Karrieren von Rooney Mara und Joaquin Phoenix versaut – und dass Regisseur Garth Davis – sorry für den Ausdruck – nächstes Mal mehr Eier in der Hose hat.