Lurker, der Kompromisslose (59)
Ich habe keinen festen Wohnsitz, keinen Beruf, keinen Lebensstandard. Ich habe mich schon sehr früh und bewusst gegen Familie und Besitz jeglicher Art entschieden. Auch mit 59 Jahren komme ich noch immer mit meinem Lehrlingslohn von 1978 durch.
Punk ist anstrengend, aber ich liebe es.
Ich kann nicht in die Ferien und mich nicht aufregen. Ich hinterfrage alles, was ich tue, in jedem Bereich. Und ich habe dafür noch viel mehr Energie als in meiner Jugend, weil ich den Punk schon jahrzehntelang lebe. Als Punk bleibst du ein Leben lang ein Kindskopf.
Fleur, die Flexitarierin (42)
Für mich bedeutet Punk die grosse Freiheit. Ich war schon immer anders, gehörte nie recht dazu und fand im Punk eine Heimat. Die Punkszene erlebte ich oft so, dass man sich aus Prinzip gegen ALLES auflehnte. Das kann es nicht sein, finde ich. Ich will mich auch den Punk-Regeln nicht beugen. Für mich ist Punk Spass, mit Normen zu spielen. Ich trug früher auch Halsband und selbst bemalte Lederjacken. Mein Haar färbte ich schwarz-violett gestreift. So bleibst du nicht ein Leben lang. Ich habe nicht mehr die gleiche Energie wie früher und sehe es als Vorrecht der Jugend, dass sie etwas extremer sind als wir älteren Punks.
Rams, das Urgestein (67)
Punk war für mich eine Erlösung. Zuerst wollte ich nur aussehen wie meine musikalischen Idole und wurde dann im Dorf als das Böse schlechthin abgestempelt. Das tat mir weh, löste eine Gegenreaktion aus. Ich dachte «jetzt zeige ich es euch!». Als zweifacher Vater stiess ich in der Punkszene auch schon auf Ablehnung. An einem Konzert wurde ich mal von einer Frau blöd angemacht, als ich mit meinem kleinen Sohn auf dem Gelände herumspazierte. Auf der Bühne den Wilden geben, dann so etwas, das gehe gar nicht!
Wenn ich mit meiner Band auftrete, springe ich zwar vielleicht nicht mehr ganz so hoch wie früher, aber ich habe immer noch viel Energie. Auch das Publikum ist ruhiger geworden. Aber ich denke, etwas Altersmilde gehört dazu.
Punkrock ist für mich heute das, was für andere in meinem Alter die Modelleisenbahn ist.
Was ich nicht verstehe: Es gibt Leute, die in der Punkszene unterwegs waren und es heute verheimlichen, als hätten sie einer Sekte angehört. Ich bereue nichts - ausser vielleicht, dass ich mir nie Gedanken gemacht habe über eine dritte Säule. Das fand ich oberspiessig.
Lea, der Nachwuchs (21)
Es gab eine Phase, wo es mich nervte, dass meine Eltern Punks sind. Mittlerweile bin ich selbst in einer Punkrock-Band. Mit Hardcore-Punk habe ich mich aber für einen Stil entschieden, den meine Eltern schrecklich finden.
Ich musste neue Wege finden, um zu rebellieren.
Ich will der Umwelt zuliebe keine eigenen Kinder, lebe vegan, clean, rauche und trinke nicht. Ich besitze kein Smartphone. An der Punkszene kritisiere ich zum Teil, dass es zu wenig Bands mit Frauen oder nicht-weissen Menschen gibt. Mich nervt, wenn Alt-Punks sagen, früher sei alles besser gewesen. Punk hat mich gelehrt, mehr zu hinterfragen - etwas, das unserer Gesellschaft generell gut tun würde.
Dem Leben in der Schweiz auf der Spur – mit all seinen Widersprüchen und Fragen. Der Podcast «Input» liefert jede Woche eine Reportage zu den Themen, die Euch bewegen. Am Mittwoch um 15 Uhr als Podcast, sonntags ab 20 Uhr auf Radio SRF 3.
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