Holen wir uns an der Kaffeebar einen Kaffee mit der eigenen Tasse, bekommen wir als Dankeschön ein Schöggeli. Helfen wir beim Zügeln, sagt die Kollegin «Merci» mit Schokolade. Empfangen wir Besuch, kommt der Dank in Form von Pralinen.
Toll, nett gemeint. Doch wer den eigenen Zuckerkonsum bewusst steuern will, steht automatisch vor dem Entscheid: Doch essen oder wegwerfen?
Unser Körper braucht den Zucker nicht
Saccharose, Glukose oder Maltodextrin – was wir unter Zucker verstehen, haben unsere Vorvorvorvorvorfahren noch nicht gekannt. Und doch haben sie überlebt. Denn: Was unser Körper an Energie braucht, kann er selber herstellen. Den Haushaltszucker im Kilopack braucht er dafür nicht. «Zucker in der Nahrung ist komplett überflüssig», bestätigt Bettina Wölnerhanssen, Ärztin und Forschungsleiterin am Claraspital Basel.
Und der Körper will ihn auch nicht. Zucker sorgt nicht nur für Karies und Fettpölsterchen, sondern auch für Leberverfettung, Herzkreislaufstörungen, Bluthochdruck oder Gefässalterung. Unsere Geschmacksnerven sind dem Süssen verfallen. Und wir ahnen kaum, was sie unserem Körper damit antun.
Die Zuckerfabriken am Laufen halten
«Die Kunden aufzufordern, weniger Zucker zu konsumieren, das ist nicht unsere Aufgabe», sagt Guido Stäger, CEO der Schweizer Zucker AG. Sein Unternehmen verarbeitet die Zuckerrüben, die die Schweizer Bauern ernten, und verkauft den Zucker an Industrie und Haushalte.
Um die beiden Zuckerfabriken am Laufen zu halten, muss eine gewisse Menge produziert werden. Weniger Zucker würde als bedeuten: Weniger Arbeitsplätze, weniger Kontrolle, weniger Nebenprodukte, weniger Wirtschaft.
Lebensmittelhersteller sind daran interessiert, Schweizer Zucker zu verwenden. Swissness ist ein Verkaufsargument, sowohl im In- wie auch im Ausland. Und Swissness kann draufschreiben, wer auch Swissness drin hat. Ein bisschen mehr Schweizer Zucker könnte da auch mal nachhelfen.
Die Zuckerlobby im Bundeshaus
Die Industrie sitzt auch im Bundeshaus an einem langen Hebel. Lebensmittelkonzerne, Süssgetränkehersteller, Zuckerproduzenten und die Landwirtschaft – sie alle profitieren von uns als Zuckerkonsumentinnen.
Sich für ihre Interessen einzusetzen, kann für Politiker lukrativ sein. «Im Bundeshaus gibt es ganz klar eine Zuckerlobby», sagt Otto Hostettler, Journalist und Co-Präsident von Lobbywatch.
Gesundheitsfördernde Massnahmen, wie eine Zuckersteuer oder eine klare Deklaration, haben bei Politik und Industrie einen schweren Stand. Die Politik will uns keine Entscheide wegnehmen. Und die Industrie bewegt sich ohne politischen Druck nur wenig.
Im dichten Dschungel der Zuckerinteressen sind wir also auf uns alleine gestellt.