1. Alarm! Alarm! Alarm!
Allein die Herkunft des Wortes sagt einiges über den Charakter des Lärms aus: «Lärm» geht auf das Wort «Alarm» zurück. «Alarm» wiederum lässt sich von «all’arme!» ableiten, «zu den Waffen!» war ein italienischer Schlachtruf.
Ich habe mit der Autorin Sieglinde Geisel gesprochen, die in ihrem Buch «Nur im Weltall ist es wirklich still» wunderbar über Lärm sinniert. Sie beobachtet, dass nicht alle Sprachen zwischen Lärm und Geräusch unterscheiden. Mit «noise», «bruit» und «rumore» würden etwa Geräusche neutral bezeichnet, erst in zweiter Linie stünden diese Worte auch für Lärm.
2. Worum es bei Krach um Lärm wirklich geht
Lärm ist mehr als Schall. Lärm ist Schall der nervt und stört und was stört, ist subjektiv. Was für mich Lärm ist (zum Beispiel aufjaulende Automotoren – I hate it sooo much!), muss für andere noch lange kein Lärm sein und umgekehrt. Meine Vermutung ist, dass es bei Krach um Lärm um weit mehr geht, als die reine Lärmemission.
Bei Lärm geht es immer mehr als nur um Lärm, Lärm maskiert immer andere Konflikte.
Auch Markus Chastonay stimmt dem zu. Der Vorsitzende der Vereinigung Circle Bruit, die sich für weniger Lärm stark macht, sagt: «Lärm ist nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Da sind ganz viele andere Geschichten dahinter.»
Wer sich über die Gartenparty der Nachbarn ärgert, wäre vielleicht selber auch lieber irgendwo, wo man gemeinsam Spass hat, als alleine in der Stube.
Chastonay kennt absurde Fälle von Lärmstreiterei - etwa, wenn sich der Nachbar über das Zirpen der Grillen im Garten nebenan stört. Oder der krähende Hahn von vis à vis eingesperrt wird, weil sich das Tier nicht an Ruhezeiten hält.
Oft stecken jahrzehntelange Streitereien hinter Krach um Lärm und manchmal bringt der Partylärm der anderen die eigene Einsamkeit ans Licht.
3. Es spielt eine Rolle, wer Lärm macht
Wenn die herzigen Kinder der befreundeten Familie in der Wohnung oben sonntags laut durch die Wohnung rumpeln, stört es nicht. Mäht aber die gehässige Nachbarin wieder mal ihren Rasen, geht man kilometerlange Wände hoch.
Wenn es jemand Nettes ist, ärgert man sich weniger, als wenn es der Nachbar ist, mit dem man sowieso schon zerstritten ist.
«Ob uns Lärm stört oder nicht, hat auch damit zu tun, wer den Lärm verursacht», sagt Chastonay. Er hat schon in vielen Lärmstreitigkeiten vermittelt.
4. Lärm macht krank
Lärm kann den Körper tatsächlich in Alarmbereitschaft bringen. Das macht bis zu einem gewissen Grad Sinn. Wenn uns etwa das Martinshorn alarmiert oder wir aufschrecken, wenn ein Auto lärmend und gefährlich nah an uns vorbeidonnert.
Permanente Alarmbereitschaft bedeutet aber Dauerstress für den Körper. Lärm macht krank und kann sogar töten. Das zeigen verschiedene Studien, unter anderem der Weltgesundheitsorganisation. Klingt drastisch, darum wollte ich es genauer wissen und habe Professor Martin Röösli getroffen. Er forscht am Schweizerischen Tropen- und Public Health Institut zu Lärm und hat die Sirene Studie geleitet.
Sein Fazit: Lärm kann zu Herzkreislauf-Krankheiten, Diabetes und Depressionen führen. Lärm kann der letzte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Lärm und Infarkte: Permanenter Stress kann Gefässe verengen, was zu einem höheren Blutdruck führt und die Zusammensetzung des Blutes verändern kann - etwa, dass es weniger flüssig ist. Dies wiederum kann die Blutgefässe verstopfen, was zu einem Infarkt führen kann.
Lärm und Diabetes: Lärm könne zu Schlafstörungen führen. Schlafstörungen wiederum können zu veränderten Essgewohnheiten und weniger Lust auf Bewegungen führen - alles Faktoren, die Diabetes begünstigen.
5. Clevere Ideen gegen eine laute Welt
Wenn die Akustik nicht stimmt, kann es uns vertreiben - und umgekehrt: Stimmt die Akustik, lädt ein Ort zum Verweilen, Arbeiten und Zuhören ein, erklärt mir Akustikerin Regina Bucher vom Amt für Umwelt und Energie in Basel.
Verglaste Autobahnbrücken in Städten, entdröhnte Gitter rund um Sportplätze, lärmschluckende Brunnen, die stark befahrene Strassen von Parkanlagen trennen - ich staune, mit welchen cleveren Massnahmen Lärm verhindert werden kann.
Klangraumgestaltung nennt sich diese relativ junge Disziplin, der sich Bucher verschrieben hat. Klangraumgestaltung dürfte in Zukunft in Sachen Städtebau an Bedeutung gewinnen. Denn in einer Welt, in der wir immer näher rücken, wird Lärm ein Streitpunkt bleiben.
In der SRF 3-Hintergrundsendung «Input» gehen wir dem Lärm auf den Grund: mit Denkerinnen, Forschern, Bauarbeitern, Musikerinnen und Kindern. Die Live-Sendung gibt’s am Sonntag, 28. April um 20 Uhr auf Radio SRF 3 und anschliessend online als Podcast.