Die ersten Kinder der Generation, die mit sozialen Medien aufgewachsen sind, erreichen das Erwachsenenalter. Das heisst: Erstmals gibt es erwachsene Menschen, von denen im Internet Fotos aller Altersstufen zirkulieren. Vom Kleinkind in Windeln, über das Dreirad bis zur Konfirmation ist alles immer abrufbar.
Nicht alle Eltern zeigen die Bilder ihres Nachwuchses ihren Freunden oder Verwandten nur aus Stolz. Den sogenannten «Mom-, Dad- oder Familyfluencern» geht es auch ums Geld. Sie sind eine spezielle Kategorie innerhalb der Influencer, da sie auf sozialen Medien oder Blogs aus ihrem Familienleben berichten und von Firmen bezahlt werden, wenn sie über deren Produkte berichten oder sie nebenbei erwähnen.
Seit Geburt präsent
Die 8-jährige Influencerin Samia aus Atlanta wurde sprichwörtlich in die sozialen Medien geboren: Sie hätten ein Video der Geburt auf Youtube gestellt, erzählte der Vater der New York Times. Mit 4 Jahren konnten die damals 200'000 Follower und Followerinnen Samia auf Youtube und Instagram beim Posieren und Herumtollen zusehen – mit Spielzeug, für das sie Werbung machte.
Auch in der Schweiz gibt es Eltern, die auf sozialen Medien in den Berichten über ihr Leben als Familie auch Bilder ihrer Kinder zeigen und sich von Firmen für Werbung bezahlen lassen. «In unserer Datenbank führen wir mehr als 100 Influencerinnen und Influencer, die auch Familiencontent produzieren», sagt Anja Lapčević von der Schweizer Agentur Kingfluencers.
Zwischen 150 und 2500 Franken pro Post könne man durchschnittlich verdienen, die Followerzahl sei dabei nicht das ausschlaggebende Kriterium. Wichtiger sei, woher die Community stamme und wie engagiert sie sei, erklärt die Strategieberaterin. Auf Youtube kann man schon mit 1000 Followern Geld verdienen, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer lange genug dranbleiben und nicht gleich wieder wegzappen.
Mehr Schutz für Kidfluencer
Kinderrechtsorganisationen wie das Deutsche Kinderhilfswerk sehen in dieser Art des «Influencing» Kinderarbeit – und die ist eigentlich verboten. Doch konkrete Gesetze für soziale Medien fehlen in den meisten Ländern, mit Ausnahme von Frankreich. Das Nachbarland dehnt aktuell die Schutzmassnahmen für Kinderdarstellerinnen und Models auf Kidfluencer aus. Für sie gelten nun die gleichen strengen Regeln wie für die klassische Werbung mit Kindern.
Kinder haben grundsätzlich das Recht am eigenen Bild. Eltern dürfen zwar stellvertretend für ihre Sprösslinge entscheiden, aber nur solange sie keine Eigeninteressen verfolgen: Ein Foto knipsen, das zeigt, wie das Kind ein Spielzeug auspackt und sich dafür vom Hersteller bezahlen lassen, geht wohl über diese Grenze hinaus.
Kinder verstehen soziale Medien noch nicht
Und auch wenn Kinder selber entscheiden, dass ihre Bilder auf dem sozialen Influencer-Kanal der Eltern gepostet werden dürfen – «weil das doch Spass macht» – muss das kritisch betrachtet werden, mahnen Kinderrechtsanwältinnen. Kinder haben immer Freude, wenn sie merken, dass das, was sie machen, Mami und Papi Freude macht und sie mit Stolz erfüllt.
Ein Kind kann aber bis zu einem gewissen Alter nur einen Teil einer Handlung beurteilen. In keinem Fall ist den Kindern bewusst, dass die Eltern das Bild mit 100'000 Leuten teilen, um Geld zu verdienen – geschweige denn die Konsequenzen, die diese Handlung haben kann.