Der Gentleman mit Vergangenheit
Giggs liebt die Pausen, bleibt immer verständlich und so unverkennbar wie zurzeit kein anderer. Die Rapwelt gehört im Moment dem Engländer – niemand rappt entspannter und gleichzeitig mit einer so grossen Dringlichkeit, wie der schlanke, elegante und äusserst höfliche Gentleman, der sich als Jugendlicher einen Namen in Londons Streetgangs machte. Die Polizei im Südosten Londons kennt den 35-Jährigen, der zwei Jahre wegen unerlaubten Waffenbesitzes gesessen hat.
Drake gehört zu seinen Fans
Ein Wort oder sein Erkennungsmerkmal (ein gestöhntes «Uhhh») genügen, und jeder Rapfan weiss: diese Stimme gehört dem Hollowman, wie sich Giggs nennt und sich in einem der Songs unbescheiden mit dem grossen (oder grössten?) Gitarristen Jimi Hendrix vergleicht.
Hendrix wurde nach seinem Erfolg in London von tausenden Gitarristen auf der ganzen Welt kopiert. Giggs könnte bald dasselbe widerfahren. Rap klang selten so stringent wie auf seinem neuen Album «Big Bad», welches am 22. Februar erscheint. Und so wird wohl auch er sehr bald die grossen Namen im amerikanischen Rap-Game beeinflussen – Rap-Superstar Drake gehört schon jetzt zu seinen Fans.
«Big Bad»: Ein Album mit dunklem Charme
Ich kann mich nicht erinnern, wann zuletzt eine Rapplatte aus England so viel Sinn machte wie «Big Bad». Ein düsterer roter Faden führt durch 18 Songs, von denen keiner ein Hit sein will. Kein Schnickschnack, und wenn Giggs singt, dann liegt er halbtonweise daneben – solange das aber so absichtlich und charmant geschieht, steigert es den dunklen Charme dieses Albums. Er führt uns zurück zum Ursprung des Rap, ohne auch nur eine Sekunde retro zu klingen. Wort und Beat.
Giggs legt seine Worte auf derart basslastige Beats, dass einem angst und bange werden könnte, wenn das Resultat nicht so ungemein elegant wäre. «Simplicity» würde der Mann mit jamaikanischen Wurzeln das wohl nennen – wenn er denn auch nur ein einziges Interview geben würde. Tut er aber nicht, muss er nicht, denn sein Rap spricht für sich. Es ist ein Meisterwerk mit Wurzeln im UK-Drill, dem Gangsterrap Englands, und im Grime.
Auch in Zukunft relevant
Giggs ist die falsche Adresse für den schnellen Hit. Auch wenn das Album kaum Streamingrekorde brechen wird in der ersten Woche der Veröffentlichung, so bin ich sicher: Es wird auch in 20 Jahren noch gehört werden, dann, wenn Vieles seiner Kollegen vorbei und vergessen sein wird.
Und ja – Giggs wird womöglich Recht bekommen, wenn er auf der Platte rappt, dass man in Zukunft den Rapper und nicht mehr den ehemaligen Manchester-United-Fussballer Ryan Giggs aus Wales meint, wenn man von Giggs redet.