Billie Eilishs neues Album endet mit einer Frage: «But when can I hear the next one?» Wann, fragt Eilish aus dem Off, kann ich das Nächste hören?
Damit verweist sie wohl auf den Druck und die wachsenden Erwartungen, die auf einem lasten, wenn man mit 22 schon erreicht hat, was andere Popstars in einem ganzen Leben nicht schaffen: Multiple Grammy-Gewinne, Oscars und Songs, die unser Verständnis von Popmusik erweitert haben.
Was liefert man da nach? Das verflixte dritte Album ist immer ein «Knorz».
Mit Billie am Ende
Was nach dreimaligem Durchhören am meisten überzeugt, sind die Schlüsse der neuen Eilish-Tracks. Die unerwarteten Wendungen, die diese zehn Songs nehmen. Die letzten 30 Sekunden von «Lunch» etwa, wenn Billie Eilishs Gesang von Bruder und Produzent Finneas O'Connell in ein laszives Stöhnen zerstückelt und zu einem Electropop-Banger montiert wird.
Mit Billie in den Club
Wenn beim Song «Chihiro» nach drei Minuten plötzlich die Synth-Arpeggios einfahren, als träte man am frühen Morgen aus einem Club. Wenn bei «L'Amour De Ma Vie» plötzlich der Hyperpop durchsickert und Eilishs Stimme in Autotune getunkt wird. Oder wenn uns in der Mitte des letzten Tracks «Blue» ihre Stimme plötzlich runter gepitcht und auf einem dunklen Minimal-Beat ausgebreitet wird, erschliesst sich erst, was da über lange Strecken aufgebaut wird: ein Album für Geduldige.
Ob ihr es mögt oder nicht, wir haben alles reingesteckt.
Mit Billie zu Taylor Swift
Am stärksten spürbar ist Eilish dabei immer noch, wenn sie ihre Seele aufreisst. Wenn sie im Herzstück des Albums «The Greatest» darüber singt, wie sie ihr Bestes versucht, wie sie alles gibt, um der Welt und sich selbst zu genügen. Wenn man ihre Zerbrechlichkeit atmen hört. Im Gegensatz dazu wirkt «Birds Of A Feather» wie ein Flirt mit dem Pop von Taylor Swift. Ein netter Song, aber etwas fade.
Mit Billie ins Studio
«Hit Me Hard And Soft» ist ein Durchatmen und Weiterziehen. Auch wenn es nicht an die Radikalität ihres Debüts «When We All Fall Asleep, Where Do We Go?» herankommt, experimentiert wird hier dennoch. Die Überraschungen, die Twists und Turns, die Billie und Finneas hier fabrizieren, offenbaren sich dabei aber erst nach mehrmaligem Hinhören.
Dass das Album nicht aus einem Guss kommt, hört man nicht nur, sondern bestätigt Billie Eilish auch selbst: «Das Album war eine Zangengeburt und wir haben etliche Versionen der Songideen gemacht. Wir haben uns richtig reingekniet und keine Arbeit gescheut … Ob ihr es mögt oder nicht, wir haben alles reingesteckt.»
Die Schönheit von «Hit Me Hard And Soft» steckt im Detail. An die grossen Würfe von ihrem ersten Album kommen die neuen Eilish-Songs nicht ran.