Stirbt ein Leonard Cohen, geht es mir nicht darum, wann er sein womöglich bestes Album gemacht hat. Es geht mir nicht darum, welches sein wahrscheinlich bester Song ist. Es geht mir nicht einmal darum, zu fragen, wie er es bloss geschafft hat, immer besser zu werden – und dabei immer unerreicht gut zu sein.
Stirbt ein Leonard Cohen, geht es mir einzig und allein darum Danke zu sagen. Meine sieben Hallelujahs auf Leonard Cohen:
1. Hallelujah auf Deine Songs
Eigentlich wolltest Du ja gar nie Songs schreiben, lieber Leonard Cohen. Doch Deine Worte brauchten die Musik. Danke, dass Du dich darauf eingelassen hast. Ohne diese Musik wären Deine Geschichten wohl kein so grosser Teil meines Lebens geworden.
2. Hallelujah auf Deinen Bankrott
Danke, dass Du pleite gegangen bist, lieber Leonard Cohen. Natürlich ist es ganz übel, wie Dich Deine frühere Managerin ausgenommen hat. Umso glücklicher hast Du all jene Leute gemacht, die Dich dadurch doch noch, oder doch noch einmal, auf der der Bühne erleben durften. Ganz zu schweigen natürlich von den brillanten Spätwerken «Old Ideas», «Popular Problems» und «You Want It Darker», die ohne Deinen finanziellen Engpass wahrscheinlich gar nie entstanden wären.
3. Hallelujah auf Deinen Humor
Selbstironie ist eine wunderbare Gabe, lieber Leonard Cohen. Du hattest viel davon, und es kam immer mehr dazu. Wie du 2012 Dein Album «Old Ideas» eröffnet hast, ist unbezahlbar: «I love to speak with Leonard / He’s a sportsman and a shepherd / He’s a lazy bastard / Living in a suit».
Oder diese Ansage zum Song «Chelsea Hotel #2» aus früheren Tagen, welche perfekt aufzeigt, wofür ich danke sagen will.
4. Hallelujah auf Deinen billigen Casio-Synthesizer
Eigentlich hat es etwas ganz Schreckliches, wie Du einige Deiner ganz grossen Melodiebögen durch quäkende Synthi-Sounds illustriert hast, lieber Leonard Cohen. Seit «Various Positions» (1984) hast Du mit diesen billigen Sounds immer wieder geflirtet. Ich bin Dir dankbar für das Lächeln, das du mir damit aufs Gesicht zauberst, und die damit verbundene Erkenntnis, dass nicht alles, was nach Begleitautomatik tönt, seelenlos sein muss.
5. Hallelujah auf Deinen Anstand
Gentleman sein war Dir stets wichtig, lieber Leonard Cohen. Du warst ein grosser Gentleman. Allein wie du vor deinen Mitmusikern den Hut gezogen hast, während sie ihre Soloparts spielten, spricht Bände.
6. Hallelujah auf Deine hohen Ansprüche
Wieviele Strophen hast Du ursprünglich für den Song «Hallelujah» geschrieben, lieber Leonard Cohen? 80 Strophen? Zwei Notizbücher vollgekritzelt? Dann hast du diese 80 auf sechs Strophen gekürzt. Mehr als zwei Jahre hast Du an «Hallelujah» gearbeitet. Und dann? Dann kam die Plattenfirma und wollte den Song nicht veröffentlichen. Sie fanden ihn nicht gut genug. «Hallelujah»? Nicht gut genug?
Danke, dass Du nicht für Plattenfirmen Musik gemacht hast.
7. Hallelujah auf Deine Gelassenheit
«Ich beende gerne Dinge, die ich angefangen habe. Falls ich es nicht schaffe, ist das auch Ok» hast du kürzlich in einem Interview gesagt, lieber Leonard Cohen. Danke, dass du Dein letztes Album «You Want It Darker» nicht um jeden Preis beenden wolltest. Es wäre nicht so gut geworden, wie es ist.
Hallelujah! Und: Gute Reise, lieber Leonard Cohen.