Im Radio läuft HIMs «Join Me (in Death)» in Heavy-Rotation. Am TV werden in der ersten «Popstars»-Staffel gerade die No Angels gecastet und der Nu Metal ist das ganz grosse Ding. Wir schreiben das Jahr 2000. Und die Rolle des Punks, Staatsfeinds No. 1 und Elternschrecks übernimmt ein weisser Rapper aus Detroit: Marshall Mathers – M and M – oder eben EMINEM.
Eminem und sein Alter Ego «Slim Shady» treten gezielt an Schienbeine, stechen mit heissen Nadeln in offene Wunden und spucken, vom Highschool-Lehrer bis zum US-Präsidenten, jeder erdenklichen Obrigkeit ins Gesicht.
The Clash – Rage Against The Machine - Eminem
Wut tut gut, wenn sie ein Ventil findet. Ein solches waren die Songs von The Clash oder den Beastie Boys auf sehr unterschiedliche Art in den 1980ern. Nirvana oder Rage Against The Machine boten in den 1990ern die Möglichkeit, Dampf abzulassen. Und für viele war Anfang 2000er Eminem eine Art Erlöser der angestauten Wut.
Aber natürlich reichte Eminems Wut und der damit verbundene Mut, dem unter Druck stehenden Dampfkochtopf den Deckel abzuschlagen, alleine nicht aus, um als erfolgreichster Künstler der 2000er in die Geschichte einzugehen. Es waren Eminems Skills in Verbindung mit Dr. Dres Gespür und Fähigkeiten, die damals ein nicht wegzudenkendes Rap-Kapitel schrieben.
Eminems Brillanz
Abgesehen von Eminems bestechend präziser, verspielter und virtuoser Rap-Technik, glänzte der bissige Wortmensch durch viel Explizität. Er nannte nicht nur die Dinge, sondern auch die Leute beim Namen. Kriegte dadurch reichlich Schwierigkeiten, ein paar Prozesse an den Hals und natürlich viel Presse.
Eminem rappte sein Leben und lebte seine Raps. Wie bewusst er sich anfangs den Auswirkungen seiner expliziten Wortwahl war, ist mir bis heute nicht ganz klar. Klar ist dafür, dass der Mann mit der schwierigen Kindheit gar nicht anders konnte, als am Abgrund zu texten. Er hatte nichts zu verlieren. Und wir wissen alle, dass Menschen an diesem Punkt am gefährlichsten sind.
Wer nichts zu verlieren hat, kann alles wagen. Das hat Eminem getan. Und dabei, aus kommerzieller Sicht, alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Nicht zuletzt natürlich, weil ein gewisser Dr. Dre früh auf seine Tapes aufmerksam wurde und den weissen Rapper unter seine Fittiche nahm.