Entdeckt habe ich Züri West mit dem Album «Sport & Musik» (1987). Lieben gelernt mit «Bümpliz-Casablanca» (1989). Seither ist für mich jede neue Veröffentlichung dieser Band mit einer gewissen Angst verbunden. Seit geraumer Zeit ist sie wieder da – diese Angst. Züri West veröffentlichen diesen Frühling ein neues Werk und präsentieren am Freitag, 10. Februar 2017 an den Swiss Music Awards die erste Single des Albums.
Die Angst
Keine andere Band schafft es, dass ich mich vor neuen Alben fürchte. Doch irgendwie spielten die Songs von Züri West eine dermassen tragende Rolle in meiner musikalischen Sozialisierung, dass bei mir über die Jahre der unangebrachte Anspruch entstanden ist, Songs von Züri West müssten mir etwas bedeuten.
Mehr noch: Ich möchte, dass mir ihre neuen Songs von Anfang an genauso wichtig sind, wie diejenigen Texte und Melodien, die mich seit Jahren und Jahrzehnten begleiten. Eine Ambition, die selbstverständlich zum Scheitern verurteilt ist.
Die Enttäuschung
Hör ich dann erste Töne, erste Zeilen, erste Songs eines neuen Albums, bin ich enttäuscht. Zwar klingen diese Lieder nach Züri West – fühlen sich aber nicht so an. Noch nicht. Wie sollten sie auch. Schliesslich habe ich sie erst gerade kennengelernt. Ich habe noch keine Geschichte mit ihnen. Ich war mit diesen Songs weder in den Ferien noch habe ich sonst irgendetwas mit ihnen erlebt.
«Züri West isch en auti Maschine wo louft u louft u louft» denke ich dann jeweils. Das wird dann schon mit diesen neuen Songs, denke ich. Und meistens wird es dann wirklich besser. Meistens richtig gut.
Die Ausnahme
Die obligate Enttäuschung aufs erste Ohr blieb einzig im Jahre 2010 aus. Damals schubsten Züri West den Clip zum Song «Güggu» als Vorboten zum Album «HomeRekords» auf den Markt.
«Güggu» war für mich ein Instant-Hit. Eine brillante Single und ein toller Clip, um das Album «HomeRekords» anzukünden. Damals war die Band aber sowieso an einem unglaublich guten Punkt. Als hätte sich da zwischenzeitlich irgendetwas entkrampft. Anders kann ich mir das nicht erklären, denn sonst hätte diese sonst so sehr kontrollierte Band nie im Leben ein Album mit Songs und Demos aus dem Archiv veröffentlicht. Das war dermassen untypisch für die späten Züri West, dass es vor Frische nur so strotzte. Eine Art Bürotischveröffentlichung mit ganz grosser Rock’n’Roll-Attitüde.
Die Erlösung…
Nach der ersten Angst und dem Schrecken kam bisher aber bei jedem Züri West-Album die Erlösung. Diese erlebe ich zwar im Normalfall erst nach ein paar Wochen – doch ich erlebe sie. Die Songs gewinnen an Bedeutung. Man entdeckt Feinheiten und erfreut sich an Züri Wests Spezialdisziplin: Dem Adaptieren von Songs. Welcher Songs sie sich wohl auf dem kommenden Album angenommen haben?
…und wieso früher doch alles besser war
«Sport & Musik», «Bümpliz-Casablanca», «Elvis», «Arturo Bandini» oder «Züri West» bleiben für mich trotzdem wichtigere Alben von Züri West als alle, die danach kamen. Das liegt zu gleichen Teilen an mir, wie an der Band. Kaum eine Band schafft es mit ihren Spätwerken an die Dringlichkeit ihrer ersten Alben anzuknüpfen. Genauso wenig ist es möglich, mit über 40 Jahren Popsongs so zu hören, wie man das als Teenager getan hat.
Aber das spielt jetzt alles keine Rolle. Ich warte gebannt und leicht ängstlich auf das neue Album der Berner, und höre mir die Single «Schachtar gäge Gent» nun zum geschätzten 20. Mal an. Für weitere Vorzeichen lohnt sich ein Blick auf die Website von Züri West und ihre sonst schlafenden Social Media-Kanäle. Und dann folgt hoffentlich auf die Enttäuschung die Erlösung. Oder im besten Fall sogar eine Instant-Begeisterung. Wer weiss…