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«Norient» Festival-Highlights: Negativland und Nesa Azadikhah
Aus Sounds! vom 10.01.2024. Bild: zvg
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Norient Festival Highlight Negativland: die durchgeknallteste Band des letzten Jahrhunderts

Ein Rechtsstreit mit U2 macht sie 1991 weltberühmt. Die Band Negativland geniesst aber in der globalen Musikszene schon längst Kultstatus. Drei unglaubliche Storys um eine der verrücktesten Bands aller Zeiten.

Negativland sind Nerds in Reinform. Schon Ende der 1970er-Jahre sampeln und collagieren sie Radioübertragungen und basteln daraus Hörtrips für offene Ohren. Lange, bevor die Technik mit Hip-Hop durch die Decke geht, erfinden die Kalifornier mit Sampling eine eigene Sprache zwischen Musik und Radiokunst. Der neue Dokumentarfilm über ihre Karriere, «Stand By for Failure» läuft diesen Samstag als Schweizer Premiere am Norient Festival in Bern.

Wer oder was ist Negativland?

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Legende: Negativland als Trio 1981 zvg

Negativland sind eher ein experimentelles Musikkollektiv als eine Band, gegründet 1979 von Mark Hosler in Kalifornien. Sie gelten als Pioniere auf dem Gebiet von Soundcollage- sowie Samplingtechniken und arbeiten vorwiegend mit aufgenommenen Radioübertragungen, die sie auf mehreren Tonspuren collagieren und neu arrangieren.

Negativland gelten als Vorreiter jeglicher Plunderphonics-Acts. Ihren Einfluss hört man beispielsweise bei DJ Shadow, The Residents oder The Avalanches.

Der Film ist so aussergewöhnlich wie die Band selbst: ein wunderschönes Durcheinander und konsequenterweise eine wilde Collage. Da wird Bild- und Tonmaterial überlagert, überblendet und überschnitten. «Stand By for Failure» ist ein Angriff gegen festgefahrene Vorstellungen, wie ein Biopic heute gemacht werden muss. Auch in Filmform ist Negativland eine gelungene Abkehr vom Normalen.

Diese drei unglaublichen Geschichten stechen raus

1991 – von U2 verklagt: Kurz bevor die Rockgiganten U2 1991 ihr Album «Achtung Baby» veröffentlichen, bringen Negativland eine Single auf den Markt, die «U2» heisst. Auf dem Cover steht in grossen Lettern «U2», drin steckt eine Bearbeitung von U2s früherem Hit «I Still Haven't Found What I'm Looking For».

Zurückgezogenes Single-Cover
Legende: Das verbotene Cover Single-Cover «U2» von Negativland, 1991. zvg

Das Label der Iren wirft Negativland vor, mit diesem Cover die U2-Fans zu verwirren und zum Fehlkauf anzuregen. In der Folge muss die gesamte Auflage zurückgerufen und vernichtet werden. Die dabei entstandenen Prozesskosten bringen Negativland an den Rand des finanziellen Ruins. Dennoch:

Fame-Boost durch Rechtsstreit mit Superstars? Check.

1988 – zum Massenmord motiviert: Der Negativland Song «Christianity Is Stupid» soll den US-Massenmörder David Brom zu seinen Verbrechen angespornt haben. Brom, der 1988 seine Familie mit einer Axt ermordet hat, ist zwar echt, seine Vorliebe für Negativland aber erfunden. Die Band selbst hat den Zusammenhang in einer gefälschten Pressemitteilung in Umlauf gebracht.

Fake-News, um einen Song zu promoten? Check.

2016 – Kremiertes Bandmitglied verschenkt: Wer 2016 das Negativland-Album «The Chopping Channel» kauft, erwirbt auch einen Teil der Band dazu. In Form von limitierten Plastiksäckchen, in denen einige Milligramm der Asche des kürzlich verstorbenen Negativland-Mitglieds Don Joyce mitgeliefert wird. «Wir sind uns ziemlich sicher, dass er es so gewollt hätte», schreiben Negativland dazu.

Ein Give-Away von noch nie dagewesener Morbidität und Schrägheit? Check.

Auch wir sind Negativland

So abstrus ihre Ideen auch anmuten, es gibt selten Bands, die ihre Kunst so konsequent leben wie Negativland. Sie sprengt Konventionen und dreht die letzten 50 Jahre Popkultur- und Musikgeschichte durch den Fleischwolf. Dabei entsteht Musik, die uns einen grotesken Spiegel vorsetzt. Und letztlich eine Musik, die kommentiert, kritisiert und klarmacht, was Medien mit uns anstellen.

Der Dokumentarfilm «Stand By for Failure» über Negativland läuft am Samstag, 13. Januar, am Norient Festival in Bern. Regisseurin Ryan Worsley und ein Teil von Negativland werden im Anschluss für ein Q&A zugeschaltet.

Das Norient Festival dauert vom 10. bis am 14. Januar und versammelt diverse Filme, Performances und Diskussionspanels mit Beiträgen aus 28 Nationalitäten. Auch dabei ist Nesa Azadikhah – die Künstlerin aus Teheran hat für Sounds! ein Mixtape zusammengestellt.

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mxtp080: Freundliche Übernahme durch Nesa Azadikhah
aus Sounds! Mixtape vom 12.01.2024. Bild: Refuge Worldwide
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SRF 3 Sounds!, 10.01.2024, 20:00 Uhr

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