Das Instrument einpacken, in die Stadt fahren, Spendenhut parat machen und los geht’s: So einfach stellt man sich das Leben einer Strassenmusikerin vor. Fragt man Ginny Loon, «SRF 3 Best Talent» im Februar, sieht die Sache aber ganz anders aus: «Strassenmusik in der Schweiz ist nicht einfach. Jede Stadt hat eigene Regeln. Deshalb gilt als Vorbereitung: zuerst mal Reglemente studieren.»
Strassenmusik ist kompliziert
Das Spektrum reicht von wenig Regelungen bis hin zu «Antreten zum Casting». In Zürich kann man beispielsweise am Seeufer ohne Genehmigung Strassenmusik machen. In Biel hingegen muss man eine Bewilligung beim Polizeiinspektorat einholen. Ohne Vorsingen geht es hier nicht.
Biel hat als erste Stadt der Schweiz diese Regel vor rund 20 Jahren eingeführt. Einerseits geht es um die Qualität der Musik, andererseits soll damit verhindert werden, dass verdeckt gebettelt wird. Beim Casting zählt der Gesamteindruck der Darbietung, erklärt Christoph Hasler, Bereichsleiter Veranstaltungen und öffentlicher Grund, Biel: «Wir als Beamte haben zwar nicht Musik studiert, aber ob etwas angenehm klingt, können wir gut beurteilen.»
Dass Ginny Loon den Test besteht, ist vorherzusehen. Die 27-Jährige macht seit einigen Jahren Musik, lebt seit vergangenem Sommer davon.
Es lohnt sich, auf die Strasse zu gehen
Warum tut man sich als Musiker oder Musikerin so ein Casting an? Lohnt es sich überhaupt? Für Ginny Loon gibt es drei gute Gründe: Sie kann ihre Songs live performen, kriegt unverblümtes Feedback und verdient sich nebenbei noch etwas dazu. Genau deshalb ist für die Winterthurerin Strassenmusik eine Herzensangelegenheit.
Wie viel man dabei verdienen kann? Ginny Loon hat die Erfahrungen gemacht, dass man an einem Nachmittag zwischen 20 und 600 Franken verdienen kann. Die grossen Unterschiede begründet sie mit ihrer eigenen Energie und Ausstrahlung, die sich auf die Passanten auswirkt – und natürlich umgekehrt. Positive Vibes wirken sich positiv auf ihre Ausbeute aus.
Die Strasse als Sprungbrett für junge Stars
Die Strasse dient nicht nur als Übungsfläche, sondern auch als Promo-Plattform: ganz nach dem Motto «spielen und entdeckt werden». Grosse Namen wie unter anderem Justin Bieber, Ed Sheeran, Passenger, AnnenMayKantereit, B.B. King, Tash Sultana oder Tones And I haben Strassenmusik gemacht, bevor sie bekannt wurden.
Die Geschichte von Tones And I zeigt, was passieren kann, wenn man auf der Strasse spielt. Sie fand eine Visitenkarte in ihrer Klavierhülle. Diese war von Jackson Walkden-Brown, ihrem zukünftigen Manager, der sie weltberühmt gemacht hat.