Durchschnittlich über eine Million Views hat der Youtube-Livestream von «Lofi Girl» täglich. Zu sehen ist eine Manga-Animation eines lernenden Mädchens. Zu hören sind unter anderem Tracks des Schweizer Musikers Peak Twilight (21). Mit seinen Tracks generiert er Millionen von Plays auf Dutzenden Streaming-Portalen.
Das Lofi-Universum
Die Lofi-Szene ist eine eingeschworene Gemeinschaft aus Lofi-Künstlerinnen und Label-Betreibern. Die Kommunikation, das gemeinsame Musik machen sowie die Vertragsabschlüsse erfolgen über den Onlinedienst Discord. Physische Treffen finden so gut wie nicht statt. Der Einstieg in diese Szene ist schwierig und nur mit den richtigen Kontakten möglich.
Gute Streaming-Zahlen auf den grossen Plattformen wie Spotify, Apple Music und Youtube erzielt nur, wer Teil des Zirkels ist und es auf die wichtigsten Playlists wie «Lofi Girl» auf Youtube oder «Lofi Beats» auf Spotify schafft.
Die Hälfte für die Artists
Lofi-Artists profitieren davon, dass ihr Sound meistens passiv als musikalischer Begleiter fungiert und es keine Umschaltimpulse gibt. So werden diese Songs im Gegensatz zu anderen Genres meistens bis zum Ende gehört. Das wirkt sich positiv auf den Algorithmus der Streaming-Giganten und somit auf die Auszahlung der Tantiemen aus.
So sagt Peak Twilight im Interview mit SRF 3, dass ihm Schweizer Musikerinnen und Produzenten leid tun, weil sie trotz harter Arbeit niemals an seine Streamingszahlen rankommen werden. Er hat durchschnittlich 250’000 monatliche Hörerinnen und Hörer auf Spotify, die ihm aktuell etwa eine Million Plays pro Monat bescheren. Das sind mehr Streams als die von Hecht – oder die von Baschi und Stress zusammen.
Für seine Million Streams pro Monat zahlt Spotify ungefähr 4000 Franken aus. Bei einem üblichen Vertrag muss er die Hälfte davon an Labels und Distributoren abgeben, oft teilt er sich zudem die andere Hälfte mit einem mitwirkenden Artist. Ihm bleiben also rund 1000 Franken. In den letzten zwei Jahren hat Peak Twilight zwischen 50 und 60 Millionen Streams auf Spotify erreicht und damit etwa 50’000 Franken verdient. Dazu kommen die Einnahmen von anderen Streaming-Plattformen.
Kunst machen oder Geld verdienen?
Stimmung und Sound von Lofi-Songs unterscheiden sich nur marginal. Auch die digitalen Albumcovers sind sich oft sehr ähnlich. Das wirft Fragen nach der Kreativität und Individualität in diesem Universum auf. Der Produktionsaufwand variiert stark, weiss Peak Twilight: «Einige Leute können einen Track in wenigen Stunden fertigstellen, indem sie vor allem mit Samples und Vorlagen arbeiten.»
Reine Geldmacherei ist die Lofi-Szene trotz der grossen Streamingzahlen nicht. Hinter dieser Musik steckt eine digitale Community, die sich nach Geborgenheit sehnt. Selten ist der Umgang in den Kommentaren so emphatisch und friedlich – die Musik bildet die schützende Hülle, die das Ganze zusammenhält.
Künstliche Intelligenz als Risiko
Peak Twilight glaubt, dass die grösste Gefahr für die Lofi-Szene von KI-Tools ausgeht. In naher Zukunft werde es möglich sein, Lofi-Musik rein mit künstlicher Intelligenz zu generieren. Labels müssten dann keine Menschen mehr entlöhnen.
Kombiniert mit systematisch angelegten Fake-Profilen wäre es möglich, Tausende von Tracks zu veröffentlichen und alle Einnahmen in die eigene Tasche fliessen zu lassen. Der Musiker hofft daher, dass die grössten Player in der Branche weiterhin mit passionierten Menschen wie ihm zusammenarbeiten wollen.