Seit Wochen wird gross diskutiert, dass der Supreme Court in den USA im Juni über das Recht auf Abtreibung entscheidet. In den USA könnten Abtreibungen in vielen Bundesstaaten bald illegal werden. Der durchgesickerte Entwurf eines Urteils des Obersten Gerichtshofs schreckte die USA auf: Es droht die Abschaffung des landesweiten Rechts auf Abtreibung.
In der Schweiz mag diese Nachricht wie aus dem Mittelalter klingen. Dabei gibt es rund um die Schweiz weitaus striktere Regelungen – zum Beispiel im Fürstentum Liechtenstein. Hier sind Abtreibungen nach wie vor verboten. «Ich fühle mich als Person, die schwanger werden kann, absolut nicht ernst genommen», sagt die Journalistin Gabriella Alvarez-Hummel. Sie wuchs in einer argentinischen Familie in Liechtenstein auf und thematisiert das Abtreibungsverbot unter anderem in ihrer Arbeit.
Abtreibungen finden sowieso statt – egal ob sie verboten sind oder nicht.
Aber nur weil Abtreibungen in Liechtenstein verboten seien, heisse das nicht, dass Liechtensteinerinnen nicht abtreiben. «Wenn eine Liechtensteinerin eine Abtreibung will, setzt sie sich einfach ins Auto oder den Bus und fährt dafür in die Schweiz», sagt Alvarez-Hummel. Sie findet es scheinheilig, Schwangerschaftsabbrüche zu verbieten: «Abtreibungen finden sowieso statt – egal ob sie verboten sind oder nicht.»
Fürst von Liechtenstein droht mit dem Veto
Ein Grund, warum Liechtenstein noch immer eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas hat: Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein blockiert eine Liberalisierung des Abtreibungsverbots. In Liechtenstein hat der Fürst ein Veto über die Gesetzgebung. Er kann also Ergebnisse von Volksabstimmungen per Veto aufheben. Auch Beschlüsse des Parlaments kann Fürst Hans-Adam II. oder sein Stellvertreter, Erbprinz Alois, kippen.
Im Gegensatz zu Liechtenstein ist die Gesetzgebung in der Schweiz liberaler. Die Fristenlösung wurde 2002 eingeführt und besagt, dass man in der Schweiz bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legal abtreiben darf. Danach sind Abtreibungen nur noch möglich, wenn medizinische Gründe dafür sprechen. Sonst bleiben sie strafbar.
Zwei Initiativen für weniger Abtreibungen
Aber auch in der Schweiz gibt es Bemühungen, das Recht auf Abtreibungen einzuschränken. Momentan werden für zwei Initiativen Unterschriften gesammelt. Die eine Initiative heisst «Für einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung – einmal darüber schlafen-Initiative». Sie fordert, dass Frauen vor jedem Schwangerschaftsabbruch einen Tag Bedenkzeit erhalten. Man will Frauen vor überstürzten Entscheidungen abhalten.
Die andere Initiative heisst «Für den Schutz von ausserhalb des Mutterleibs lebensfähigen Babys – lebensfähige Babys retten». Die Initiative will späte Schwangerschaftabbrüche nach der 22. Schwangerschaftswoche verbieten. Gemäss dem Initiativkommittee sind Babys ab der 22. Schwangerschaftswoche ausserhalb des Mutterleibs überlebensfähig, sofern sie angemessene intensivmedizinische Pflege erhalten.
Lanciert wurden die Initiativen von den SVP-Nationalrätinnen Andrea Geissbühler und Yvette Estermann. Einige Politikerinnen und Politiker haben sich bereits dagegen ausgesprochen, – darunter auch Camille Lothe, Präsidentin der Jungen SVP Zürich. «Ich werde diese Initiative bekämpfen», droht sie auf Twitter. Sabine Gorgé zweifelt am Erfolg der beiden Abtreibungsinitiativen: «Ich gebe beiden Initiativen keine grossen Chancen, wenn sie überhaupt bis zur Abstimmung kommen. Sie sind sogar im eigenen Lager umstritten.»