Zum Inhalt springen

Vorstellungskraft Ist eine Woche im Kopf ein Kreis, ein Strich oder Kästchen?

Ja, es gibt tatsächlich Leute, die sich eine Woche als Kreis vorstellen. Oder Leute, die gar keine Bilder im Kopf haben.

Mal eine etwas andere Frage für den Small Talk an der Kaffeemaschine: Wie sieht in deinem Kopf eine Woche, ein Monat oder ein Jahr aus? Da scheiden sich die Geister. Für SRF 3-Moderator Dario Cantieni zum Beispiel besteht das Jahr aus Kästchen.

Jenni Herren hingegen stellt sich den Apple-Kalender vor und Lea Inderbitzin sieht einen Kreis. Ja, richtig gehört. Und dazu sind auch noch alle Monate unterschiedlich lang. Muss man nicht verstehen.

Wieso sich die Vorstellungskraft unterscheidet

Flurina Brodwolf schmunzelt, als sie die Frage hört, wie sie sich eine Woche vorstellt. «Wie ein Halbkreis, von links nach rechts.» Sie ist Doktorandin an der Universität Bern am Institut für Psychologie und forscht zu Vorstellungskraft.

Das schwirrt in den Köpfen der SRF3-Hörerinnen und Hörer

Wieso sehen die einen einen Halbkreis und andere Kästchen? «Wovon unsere Vorstellungskraft abhängig ist, ist schwer zu sagen. Wir vermuten viele verschiedene Gründe, beispielsweise gibt es genetische und biologische Faktoren», sagt sie. Aber auch, welche Erfahrungen wir bereits gemacht haben und wie wir die Welt sehen, spielt eine Rolle.

Unser Gehirn spült uns ständig Bilder ins Hirn. Wir können gar nicht anders, sagt Flurina Brodwolf. Die Vorstellungskraft könne uns in vielen Bereichen helfen, zum Beispiel, um sich an etwas zu erinnern oder auch fürs Lernen: «Aber ich würde nicht sagen, dass die Vorstellungskraft etwas ist, was wir zwingend brauchen. Denn es gibt auch Menschen, die keine Vorstellungskraft haben.»

Ein Leben ohne Bilder im Kopf

Dazu gehört Kurz Mooslechner aus St. Gallen. Er ist diplomierter Pflegefachmann, als Kurt von Sosu tritt er als Schauspieler und Texter auf – und er ist Aphantasiker. Das bedeutet, Kurt hat keine bildliche Vorstellung. «Ich sehe nichts. Es ist einfach schwarz, wenn ich die Augen zu mache», sagt er.

Kurt wusste lange nicht, dass er Aphantasie hat: «Ich dachte, keiner hat Bilder im Kopf, wenn er sich etwas vorstellt.» Erst als er auf einen Social-Media-Post stiess, der sich um Aphantasie drehte, merkte er, dass er anders ist.

Wenn Kurt beispielsweise ein Buch liest, sieht er keine Gesichter oder Orte. «Ich sehe nichts, wenn ich lese, aber ich kann mir die Geschichte schon vorstellen. Einfach nicht in Form von Bildern. Ein Buch ist Information für mich und nichts weiter.»

Doch im Traum kommen die Bilder

Er weiss jedoch sehr wohl, wie Bilder im Kopf aussehen können. Denn wenn er einschläft, träumt er. Doch sobald er wieder wach ist, sind die Bilder weg.

Kurt kann sich also nicht daran erinnern, wie das Klassenzimmer früher in der Schule oder seine letzte Feriendestination ausgesehen hat. Er merkt sich Dinge anders: «Ich weiss, dass es in meinem Hotel im zweiten Stock einen Pool hatte. Das merke ich mir verbal, also über Worte.»

Ich würde es eher unheimlich finden, wenn ich Bilder im Kopf hätte. Das würde mich stören.
Autor: Kurt Mooslechner hat Aphantasie

Seit Kurt weiss, dass er Aphantasie hat, weiss er auch, wieso er als Kind Mühe hatte mit Rechtschreibung. «Kinder, die noch nicht schreiben können, lernen über Bilder. Das ist mir immer schwergefallen», sagt er.

Abgesehen davon sieht er seine Aphantasie aber nicht als Nachteil. Im Gegenteil. «Ich würde es eher unheimlich finden, wenn ich Bilder im Kopf hätte. Das würde mich stören. Ich bin sehr zufrieden so. Seitdem ich das weiss, denke ich mir, zum Glück habe ich keine Bilder im Kopf, die würden mich wahnsinnig machen.»

Radio SRF 3, Morgenshow, 31.3.2025, 6:10 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel