Am Geburtstag des Grossvaters stellt sich Jenny Emmenegger spontan zu ihren Cousins dazu und jodelt mit – obwohl sie es eigentlich nicht kann, wie sie lachend erzählt. Dass sie es eben doch kann, ist mittlerweile allen klar: Letzten November gewinnt die Schülerin aus Obbürgen NW den Folklorenachwuchs-Wettbewerb 2022 in der Sparte Jodel. Ganz ohne Instrumentalbegleitung berührt sie Jury und Publikum mit dem «Älggi-Juiz».
Die junge Frau, die im Sommer eine Lehre als Dentalassistentin beginnt, betont, dass es ihr nicht ums Gewinnen ging. «Es ist einfach schön, wenn ich die Leute berühren kann und sie meine Emotionen spüren. Das ist mein Ziel.»
Jung, frisch, modern – Jenny Emmenegger entspricht nicht dem typischen Bild vom jodelnden Älpler. Wir haben sie mit vier Klischees rund ums Jodeln konfrontiert.
1. Klischee: Wer jodelt, kann nicht singen
Da kann Jenny nur den Kopf schütteln: «Das stimmt sicher nicht.» Schliesslich ist Jodeln Singen ohne Worte, dafür aber mit grossem Tonumfang und schnellen Wechseln zwischen Kopf- und Bruststimme. Wer jodelt, muss seine Stimme gut kontrollieren und sich zudem zahlreiche Melodien ohne Text merken können .
2. Klischee: Jodeln interessiert nur alte Menschen
Auch hier ein eindeutiges «Das stimmt nicht», von Jenny Emmenegger. Nicht nur sie selbst ist das lebende Gegenbeispiel, sondern auch alle anderen Kinder und Jugendlichen, die beim Folklorenachwuchs-Wettbwerb mitmachten. Zwar sei sie die einzige in ihrem Freundeskreis mit dem traditionellen Hobby. «Die Kolleginnen finden es aber cool und kommen auch an meine Auftritte und unterstützen mich.» An Jodel-Konzerten habe sie manchmal den Eindruck, dass mehr junge als alte Menschen dort seien. Übrigens treten auch am Eidgenössischen Jodlerfest 2023 zwanzig Nachwuchs-Jodelchöre auf.
3. Klischee: Wer jodelt, hat keinen Musikgeschmack
Klar: Das will sich niemand sagen lassen. Auch Jenny Emmenegger nicht. Sie hört ganz unterschiedliche Musik, nicht nur Jodelmusik, sondern zum Beispiel auch aktuelle Popmusik, die im Radio läuft. Sowieso interessiere es sie nicht, was andere über ihren Musikgeschmack sagten: «Die haben keine Ahnung», meint sie augenzwinkernd.
4. Klischee: Wer jodelt, trägt nur Trachten
Bei den Auftritten trifft das oft zu, aber privat unterscheiden sich Jennys Outfits nicht von denen ihrer Mitschülerinnen. Oft trägt sie zerrissene Jeans, die ihre Grossmutter gerne geflickt sähe, wie sie lachend erzählt. «Das ist Mode, ich finds schön.»
Für den Auftritt am kommenden Eidgenössischen Jodlerfest in Zug mit dem Jodlerklub Heimelig bleiben die zerrissenen Jeans vermutlich im Schrank. Ihr Ziel dort hat nichts mit Äusserlichkeiten zu tun – und auch nicht mit der Jury-Bewertung: «Es geht mir nur um die Freude und dass man sieht, dass ich es gern mache – der Rest ist mir egal.»