Es war eine Zitterpartie, ob es im Tierpark Goldau in diesem Jahr Bartgeier-Nachwuchs gibt oder nicht. In den Vorjahren hatte man wenig Glück. Als das erfahrene und über dreissig Jahre alte Bartgeierpaar Mascha und Hans in diesem Jahr ein Ei im Nest hatte, wurde dieses in der kritischen Phase in den Brutkasten verlegt. Dort wurde es gehegt und gepflegt und später den Eltern wieder untergeschoben. Mit Erfolg.
Arthur heisst der Nachwuchs, den man nach 90 bis 100 Tagen zum Auswildern in einen Horst im Berggebiet bringen wollte.
Wir haben ein Weibchen, das sehr gut zu ihm passt.
Auf ein Leben in Freiheit muss Arthur nun jedoch verzichten. Im Gegensatz zur Zoowelt ist seine Genetik in den Alpen bereits gut vertreten. «Deshalb haben wir entschieden, Arthur doch nicht auszuwildern», sagt Pascal Marty, Kurator und Zoologischer Leiter des Tierparks Goldau.
Blick in den Bartgeierhorst im Natur- und Tierpark Goldau
Er bleibt dem Tierpark als Zuchtvogel erhalten. Und eine Partnerin gibt es auch. «Wir haben ein Weibchen, das sehr gut zu ihm passt», sagt Marty. Auch wenn Arthur noch jung ist, sind die beiden schon zusammen. Im Tierpark geht man davon aus, dass die Jungen von Arthur und Nina dann wieder ausgewildert werden können.
Melchsee-Frutt hat drei neue Einwohner
Arthur, der eigentliche König der Lüfte, bleibt also in Gefangenschaft. Trotzdem leben in den Schweizer Alpen drei neue Bartgeier. Gaia, Paradiso und Aurora. Sie stammen aus Zoos oder Zuchtprogrammen in Österreich, Frankreich und Spanien.
Bevor sie in der Schweiz ausgewildert wurden, stattete sie der Tierpark Goldau mit GPS-Sendern aus. Auch ihre Flügel hat man markiert, sodass sie im Flug zu erkennen sind. Ihre neue Heimat ist in der Region Melchsee-Frutt. Da hat man sie in die Freiheit entlassen. Selbständig ist ein Bartgeier erst, wenn er anfängt zu fliegen. Bis der ausgewilderte Vogel flügge ist, wird er im Horst noch vom Menschen der Stiftung pro Bartgeier gefüttert.
Im Frühling, wenn der Schnee schmilzt, kommen genügend tote Tiere zum Vorschein
Bartgeier, die flügge sind und sich nach der Auswilderung selbständig versorgen, das sei nicht überall möglich. Es gebe beispielsweise Orte in Frankreich, wo man den Jungtieren tote Huftiere hinlegen muss, um sie zu füttern, erklärt Marty.
In der Schweiz ist das nicht nötig. «Im Frühling, wenn der Schnee schmilzt, kommen genügend tote Tiere zum Vorschein», sagt Pascal Marty. In anderen Ländern ist das teilweise noch nicht so, weil junge Bartgeier in der Natur zu wenig Futter finden. Der Grund: Gewisse Bestände von potenziellen Beutetieren müssen sich noch erholen.
Gestörtes Gleichgewicht in der Natur
Das Gleichgewicht in der Natur funktioniere noch nicht so, wie es einmal war. «Deshalb braucht es den genetischen Austausch mit Bartgeiern aus verschiedenen Regionen», so Marty. Irgendwann klappe es vielleicht, dass die Bartgeier-Populationen zwischen den Alpen und den Pyrenäen wieder selbständig zirkulieren könnten. Das würde der gesamten Population in Europa helfen.
Bis es so weit ist, geht es jedoch noch lange. Deshalb muss Arthur jetzt im Tierpark Goldau für die genetische Vielfalt unter den europäischen Bartgeiergruppen sorgen.
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