«Schwule Fussballer gibt es nicht!» – mit dieser Aussage sorgte der deutsche Ex-Kicker Mario Basler vor einigen Jahren für Aufsehen. Trotz diesem krassen Statement und dem Outing des Super-League-Schiedsrichters Pascal Erlachner flachten die Gespräche zum Schwulsein in der Sportwelt aber schnell ab. Das soll jetzt geändert werden: Mit «Mario» bringt der Schweizer Filmemacher Marcel Gisler die fiktive Liebesgeschichte zweier homosexueller Fussballspieler in die Kinos. Wir haben den Regisseur zum Interview getroffen und wollten alles über sein Projekt wissen.
Marcel Gisler, in praktisch keiner anderen Sportart wird unter den Spielern so viel geküsst und umarmt wie im Fussball. Trotzdem existiert eine gewisse Homophobie. Wie erklärst du dir das?
Man darf viele Emotionen ausdrücken und sich praktisch überall berühren, aber es darf im Fussball nicht schwul sein - diese Grenze darf nicht überschritten werden. Schliesslich will man als «ganzer Mann» wahrgenommen werden und da hat Homosexualität nichts zu suchen.
Was war deine persönliche Motivation für ein schwules Liebesdrama in der Fussballszene?
In der Filmindustrie gibt es einen Fachbegriff namens «Unique Selling Point» – also: Was macht das Projekt einzigartig? Und tatsächlich gibt es bis heute keinen Film zu dieser Thematik, was mich echt überrascht. Ausserdem möchte ich mit Vorurteilen aufräumen: Auf dem Fussballfeld verlangt man von den jungen Männern Kampfgeist, Siegeswillen und Durchsetzungsvermögen und es gibt nach wie vor Leute da draussen, die diese Eigenschaften ausschliesslich heterosexuellen Männern zutrauen - das ist ein unreflektiertes Vorurteil.
Was müsste sich ändern, damit Homosexualität in der Fussballwelt akzeptiert wird?
Eine Sensibilisierung auf allen Ebenen wäre das Wichtigste. Ich bin in Kontakt mit schwulen Fussball-Fanclubs, die mittlerweile bewirken konnten, dass bei der Trainerausbildung ein Modul zum Thema «Gleichgeschlechtliche Liebe & sexuelle Diversität» aufgenommen wurde. Ich weiss nicht, wie das in Realität aussieht, aber immerhin ist es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Hattest du für deinen Film «Mario» Kontakt zu schwulen Fussballern?
Eigentlich nur mit Markus Urban, dem ersten öffentlich geouteten Fussballspieler aus Deutschland. Er war ein vielversprechendes Nachwuchstalent in der DDR und beendete seine Karriere mit 22 Jahren, da er dem Druck nicht mehr standhalten konnte. Er hatte eine frühe Fassung des Drehbuchs gelesen und meinte, dass die Sprache in der Kabine noch viel zu sanft sei und es in Realität viel vulgärer zu und her gehen würde.
Wie schon erwähnt: Du bist der erste Filmemacher, der sich diesem Tabuthema annimmt. Wie tastet man sich an ein solch hochsensibles Projekt heran?
Ich hatte am Anfang ziemlich Respekt davor, da es ein brandaktuelles Thema ist und ich das Fussballermillieu so realistisch wie möglich darstellen wollte. Aber der BSC Young Boys kam mir sehr entgegen und ich hatte freien Zugang zu Trainings, Umkleidekabinen und sogar Funktionärsbesprechungen. Ausserdem wollte ich vom ehemaligen Sportchef Fredy Bickel wissen, was sein Verein bei einem schwulen Liebespaar im gleichen Team machen würde. Die Antwort war sehr überraschend, denn er sagte mir, dass es bei einer krampfhaften Trennung der beiden Spieler zu einer psychischen Belastung käme, was negative Auswirkungen auf die sportliche Leistung hätte.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit den BSC Young Boys im Allgemeinen?
Eigentlich dachten wir, dass die Suche nach einem passenden Verein extrem schwer werden würde, aber der BSC Young Boys war schon nach dem ersten Gespräch begeistert.
Ich habe vor dem Drehbeginn Fragebögen im Team verteilt und wollte wissen, was die Jungs über einen schwulen Mitspieler denken würden. Die Reaktionen waren gemischt: Gut die Hälfte hatte kein Problem damit, andere waren verunsichert und fragten sich, ob das gemeinsame Duschen nicht sehr unangenehm würde. Man muss aber in Betracht ziehen, dass viele der Befragten bisher noch nie bewusst Kontakt zu schwulen Männern hatten und somit nicht wissen konnten, dass sie in der Dusche nicht automatisch begrapscht würden.
Was wünschst du dir für die Zukunft des Fussballs?
Es heisst ja immer, dass der Sport ein integrierendes Medium sei - vor allem der Fussball. Aber wenn da nur 95 Prozent der Bevölkerung dazu zählen, finde ich es ein bisschen schade - es wäre schön, wenn auch die restlichen 5 Prozent integriert werden würden.