Marco und Onur sind schwul und gehen offen mit ihrer sexuellen Orientierung um – auch am Arbeitsplatz. Diskriminiert fühlen sie sich beide nicht, jedenfalls nicht mehr.
Wie aber geht es lesbischen Frauen am Arbeitsplatz in der Schweiz? «Das weiss ich gar nicht», sagt Marco, «ich habe in meiner langjährigen Karriere und meinem langjährigen Engagement für LGBT-Menschen im Berufsleben noch nie mit einer lesbischen Frau zu tun gehabt.»
Frauen outen sich weniger
«Kein Wunder», meint Andrea Gurtner, «Frauen outen sich auch um einiges seltener als Männer, auch und insbesondere am Arbeitsplatz.» Andrea Gurtner ist Mitglied bei Wybernet – einem Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, lesbische Frauen im Business besser zu vernetzen. Sie ist Dozentin an der Berner Fachhochschule für Wirtschaft und hat schon einige Studien zum Thema lesbische Frauen im Berufsalltag durchgeführt oder betreut.
Eine Studie der Uni Genf zeigt, dass 49 Prozent der schwulen Männer am Arbeitsplatz vollständig geoutet sind. Bei den lesbischen Frauen sind es demgegenüber nur 39 Prozent.
Die Gründe dafür sind gemäss Gurtner vielfältig: «Für Frauen – auch für Heterosexuelle – gelten im Berufsleben andere Regeln als für Männer. Es gibt weniger Frauen in Führungspositionen, Frauen werden immer noch schlechter bezahlt und sind auch häufig weniger gut vernetzt. Das macht das Outing natürlich risikoreicher als für Männer. Homosexuell sein ist quasi ein doppeltes Handicap, wenn man eine Frau ist.» Ausserdem würden lesbische Frauen auch häufiger von negativen Erfahrungen im Berufsumfeld berichten als Männer: «Insbesondere junge Frauen und solche, die neu in einem Unternehmen arbeiten, bekommen häufig dumme Sprüche aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu hören. Aber wir hören auch von Mobbing und sexueller Belästigung.»
Schweigen im Walde
Selber hat Andrea Gurtner keine solchen Erfahrungen gemacht: «Im Hochschulumfeld ist Homosexualität akzeptiert.» Was auch sie jedoch häufig erlebe, sei Schweigen. «Ich werde selten nach meiner Familie oder meiner Partnerin gefragt. Das ist bei meinen heterosexuellen Kolleginnen anders – da gehören Fragen nach dem Befinden des Mannes oder der Kinder zu einer normalen Konversation dazu.» Die Leute seien wohl unsicher – vielleicht aber auch einfach weniger interessiert am Privatleben einer lesbischen Frau.
Einfach nichts sagen, weil ja keiner fragt, scheint also wirklich häufig der einfachere Weg zu sein für lesbische Frauen am Arbeitsplatz.
Lesbisch sein kann auch Vorteile haben
Dabei kann es durchaus auch vorteilig auf den Beruf auswirken, wenn frau auf Frauen steht. Florina, ebenfalls Protagonistin in der neuen Staffel von «Kreuz & Queer» und Tontechnikerin von Beruf, versteht sich zum Beispiel besonders gut mit den Bands, die sie betreut – unter anderem, weil sie eine Lesbe ist: «Die finden das lustig, dass ich auch auf Frauen stehe und sie mit mir darum über Chicks reden können». Ein Phänomen, das auch Andrea Gurtner kennt: «Lesbischen Frauen wird leichter Zugang gewährt zu sogenannten ‘Boys Clubs’. Sie werden insbesondere in sehr männerdominierten Berufsfeldern weniger als Fremdkörper wahrgenommen.»
Frau sein ist das grössere Problem
Eine Einschätzung, die Florina teilt: «Manchmal habe ich das Gefühl, es ist das grössere Problem, dass ich eine Frau bin. Ich habe auf alle Fälle mehr negative Erfahrungen deswegen machen müssen als aufgrund meiner sexuellen Orientierung.»
Ob das jetzt eine positive oder eine negative Nachricht ist, bleibe jetzt mal so dahingestellt.