Wir werden geboren, wachsen auf, kommen in die Pubertät – und irgendwann haben wir unser erstes Mal. Am Anfang ist Sex vielleicht keine einfache Sache, aber spätestens mit 20 haben wir den Bogen raus und ab dann macht uns keiner mehr ein A für ein U vor im Bett.
Schön wär’s! Wer schon mit ein paar Menschen geschlafen hat, weiss: so einfach ist es leider nicht. Eigentlich logisch, denn: «Im Unterschied zu den allermeisten anderen Dingen im Leben ist Sex etwas, das wir uns selber beibringen», sagt Dania Schiftan, Sexual- und Psychotherapeutin. «Und bis zu einem gewissen Grad ist das durchaus gut und sinnvoll. Schwierig wird es erst, wenn man für sich alleine erworbenes Wissen auf jemand anderen übertragen möchte. Oder konkret: Woher soll ein junger Mann, der sich bis anhin nur selber angefasst hat, wissen, dass man eine Frau ganz anders berührt?»
Was Hänschen nicht lernt….
Im Idealfall ist die sexuelle Entwicklung also nicht mit dem ersten Mal abgeschlossen, sondern dauert ein Leben lang an - ein Weg, auf dem man (und Frau) immer weitergeht. Nur: «Früh gelernte Muster sind häufig wieder schwer veränderbar. Und wenn diese Muster irgendwann zum Problem werden – oder einem Menschen zusätzlich andere Stolpersteine in den Weg gelegt werden im Laufe seiner sexuellen Entwicklung – dann stellen die Leute manchmal fest, dass sie Hilfe brauchen», so Dania Schiftan.
Der Weg zu besserem Sex
Wenn Menschen feststellen, dass ihr Sexualleben sie in irgendeiner Form nicht erfüllt, dann stehen ihnen mehrere Wege offen: Die Person, mit der man schläft, könnte man um Hilfe fragen, ins Puff gehen oder mit einer Sexualtherapie beginnen. Oder man entscheidet sich für «Sexological Bodywork», so wie die Protagonisten in unserer neusten Folge von «Kreuz&Queer».
Man könnte Sexological Bodywork also als eine Art Mittelweg zwischen allen anderen Möglichkeiten, das eigene Sexleben erfüllender zu gestalten, betrachten. Oder, wie Didi Liebold, Sexological Bodyworker von Beruf, es formuliert: «Gespräch, Wissensvermittlung, Berührungen und Massagen – auch an intimen Stellen – sind die essentiellen Bestandteile von Sexological Bodywork.»
Weder Prostitution noch Therapie
«Moment mal – wo liegt denn da der Unterschied zur Prostitution?», könnte man sich nun denken. «Das heisst doch, dass man beim Sexological Bodywork unter Umständen für einen Orgasmus bezahlt?» Didi Liebold meint: «Ja, so kann man es natürlich sehen. Es gibt jedoch einige ganz grosse Unterschiede zwischen Sexological Bodywork und Prostitution. Bei uns spielen Gespräch und Beratung eine grosse Rolle – in der Prostitution nicht. Wir bieten eine Art geschütztes Lernen an – in der Prostitution geht es um eine sexuelle Dienstleistung. Und, ganz wichtig: Im Sexological Bodywork findet keine sexuelle Interaktion zwischen Bodyworker und Klient oder Klientin statt.»
Von professioneller Nähe und sexueller Resonanz
«Professionelle Nähe» sei das Schlüsselwort, sagt Liebold. «Natürlich kommt man den Menschen in meinem Beruf enorm nahe. Und natürlich sind auch wir Resonanzwesen und reagieren irgendwie auf die Lust der Anderen.» Der eigenen Lust müssten aber nicht immer zwingend Taten folgen – das lerne man in der Ausbildung. Ausserdem hätten die Leute sowieso manchmal eine falsche Vorstellung von seinem Beruf. «Es ist ja nicht so, dass wir nur leichte lustvolle Massagen anbieten. Wir sind auch oft mit sehr schwierigen Themen konfrontiert. Zum Beispiel mit Menschen, die sich nach einem sexuellen Übergriff ihre Lust zurückerobern wollen. Dieses Beispiel macht den Unterschied zur Prostitution deutlich wie kein anderes.»
Sexological Bodywork – eine Grenzwanderung
Dennoch – oder gerade deswegen – sind persönliche und sexuelle Grenzen natürlich ein wichtiges Thema. «Immer, wenn der nackte Körper involviert ist, haben Menschen Mühe, ihre Grenzen zu erkennen», sagt Dania Schiftan. «Ich sehe das oft in meiner Praxis – auch bei Männern. Viele fühlen sich zum Beispiel zum Sex verpflichtet, wenn sie eine Frau erstmal ‹aufgerissen› haben, auch wenn sie eigentlich gar keine Lust mehr dazu haben.» Dieses Verpflichtungsgefühl sei auch beim Sexological Bodywork ein Thema. «Man muss sehr genau wissen, was man möchte und was nicht. Und die meisten Menschen, die irgendeine Form von Sexualtherapie machen, haben ja genau damit ein Problem.»
Dessen ist sich auch Didi sehr bewusst. «Wir gehen darum Schritt für Schritt vor und schauen immer erst, ob sich etwas noch gut anfühlt, bevor wir den nächsten Schritt machen. Und wir üben immer erst die Sprache. Denn wenn Menschen ihre Gefühle nicht benennen können, dann können sich auch nicht sagen, wenn es ihnen zu viel wird.»
Trotzdem: Manchmal müssten Grenzen ausgelotet werden, um auf dem Weg der sexuellen Entwicklung weiter zu kommen. Eine Einschätzung, die Schiftan übrigens teilt: «Kein Muster ist in Stein gemeisselt und man kann jede sexuelle Grenze erweitern, wenn man möchte. Man muss aber natürlich nicht, wenn man sich damit wohlfühlt. Ich finde das einen enorm schönen Gedanken.»