Nun, im Zusammenhang mit «Reminiscence» von Originalität zu sprechen, wäre gelogen. Zwar basiert der von Lisa Joy geschriebene und gedrehte Film tatsächlich weder auf einer Roman-, Comicbuch-, noch auf einer Filmvorlage, dafür orientiert er sich umso mehr am goldenen Zeitalter der Film-Noir-Detektivgeschichten.
Ein Privatdetektiv mit einer grossen Anzahl persönlicher Probleme (Nick Bannister, hier gespielt von Hugh Jackman), der eines Tages in seinem Büro von einer mysteriösen und wunderschönen Frau in Not aufgesucht wird? Alles schon hundertmal gesehen.
Zwei Details haben sich in der Zwischenzeit aber doch geändert: Zum einen spielt «Reminiscence» in einem halb-versunkenen Miami der Zukunft. (Die Klimaerwärmung und die steigenden Meeresspiegel richten hiermit ihre Grüsse aus.) Zum anderen besteht Detektiv Nicks Methode, Kriminalfälle zu lösen, in erster Linie daraus, seine Kund:innen in eine futuristische Badewanne steigen zu lassen, um so dann in ihren (oder seinen??!? Pam Pam Pammm!) Erinnerungen zu wühlen.
Keine Frage: Die Welt von «Reminiscence» wirkt von der ersten Sekunde an faszinierend. Schade nur, dass die Geschichte das komplette Gegenteil davon ist. Hier jagt ein Klischee das nächste und irgendwann wirkt die Story dermassen verworren, dass man sich zu fragen beginnt, wie viele der Financial Controller, welche ganze 68 Millionen US-Dollar für das Budget dieses Films locker gemacht haben, vom Warner-Filmstudio in der Zwischenzeit wohl entlassen wurden.
Und: Hugh Jackman mag zweifelsohne ein sehr begnadeter Schauspieler sein, aber die grenzdebilen Off-Texte, die er hier im Minutentakt runterrattern darf (muss?), könnte nicht einmal Daniel Day Lewis gut klingen lassen. (2.5 von 5 Punkten)
Ähnlich nass zu und her geht es bei «Tides» (ebenfalls ab Donnerstag, 26.8. in unseren Kinos), dem zweiten Langspielfilm des Basler Regisseurs Tim Fehlbaum. Auch hier hat die Klimakrise (Plus: Kriege und Pandemien, das volle Programm!) voll zugeschlagen.
Im Gegensatz zu «Reminiscence» müssen sich die Protagonist:innen dieses dystopischen Sci-Fi-Films aber maximal mit nassen Knöcheln herumschlagen. In der Welt von «Tides» liegt zwar die ganze Erde unter Wasser, aber eben nur so tief, wie es das norddeutsche Wattenmeer, welches hier u. a. als Drehort fungierte, zulässt.
Kaum eine Idee, die Fehlbaum in dieser rund 14 Millionen Schweizer Franken teuren Produktion auftischt, ist wirklich neu. Weder «Astronaut:innen kehren auf eine fast unbewohnbar gewordene Erde zurück» («WALL-E», «Battlestar Galactica»), noch «Raumschiff 2 macht sich auf die Suche nach dem Jahre zuvor, unter mysteriösen Umständen verschwundenen Raumschiff 1» («Sunshine», «Ad Astra»). Immerhin machen der ultrastylishe Look des Films und die angenehm schnörkellos erzählte Geschichte einiges wieder wett.
Und besser als die Sci-Fi-Unterdurchschnittsware, die uns Netflix in schöner Regelmässigkeit serviert, ist «Tides» allemal. (3 von 5 Punkten)
Gutes Stichwort: Streaming! Und nein, die Sci-Fi-Stangenware von Netflix ignorieren wir jetzt an dieser Stelle. (Ich meine, wie oft haben wir uns dort in letzter Zeit schon von einem vielversprechenden Thumbnail in die Irre führen lassen?)
Werfen wir stattdessen ein Auge auf die Konkurrenz. Da wäre zum Beispiel «The Tomorrow War» (im Stream auf Prime Video), ein Sci-Fi-Spektakel mit Chris Pratt in der Hauptrolle, für welches Amazon mal eben 200 Millionen US-Dollar locker gemacht hat.
Aber leider kommt auch «The Tomorrow War» nicht ohne Mängel aus. Das Problem hier: Zwar erkennt man sofort, dass der Film einiges gekostet haben muss, sobald man jedoch genauer hinschaut, stellt man fest, dass auch «The Tomorrow War» nicht mehr als ein Mischmasch anderer, viel besserer Filme ist. Man nehme ein bisschen «Alien», füge «Edge of Tomorrow» dazu, schmecke es mit ein bisschen «The Thing» ab, und voilà: Fertig ist der Streaming-Blockbuster! (3 von 5 Punkten)
Und so bleibt die ernüchternde Feststellung, dass eine «neue», «originelle» Idee meistens doch nicht so originell war, wie man ursprünglich gemeint hat. Und wer jetzt behauptet: Talent borrows, Genius steals, das mag stimmen, ja. Aber wer möchte schon eine halbgare Neuauflage, wenn die Klassiker gleichviele Mausklicks entfernt sind?