Als ich diesen Dokfilm in Angriff nahm, im Februar 2015, hatte ich eigentlich anderes geplant: Ich hoffte, durch die Begleitung dieses Riesco-Integrationskurses hinter die dramatischen Lebensgeschichten der Flüchtlinge zu kommen. Doch nachdem ich am ersten Drehtag die Begrüssung der Kursteilnehmer durch Kursleiter Heinz Gerig gehört hatte, war mir klar, dass nicht die Flüchtlinge im Zentrum des Filmes stehen sollen, sondern dieser Schweizer.
Ich wollte diesem Mann dabei zusehen, wie man eine der schwierigsten (und vielleicht auch wichtigsten) Aufgaben anpackt, welche die Schweiz heute zu vergeben hat, nämlich gänzlich fremde Menschen irgendwie in diese Gesellschaft zu bringen.
Geradlinigkeit und Fairness
Heinz Gerig hat mich zunächst gehörig irritiert. Er sprach zu den Flüchtlingen so schonungslos, ungeschminkt, frontal, dass mir diese Begrüssung fast ein bisschen nach SVP-Manier tönte. Doch, so lernte ich schnell, zu Gerigs Art der Integrationsarbeit gehört mehr: ein unermüdliches Engagement, beispielsweise für das Beschaffen von Praktikumsplätzen, Gradlinigkeit und Fairness, zudem eine Bereitschaft, seine Forderungen in ausführlichen, gelegentlich auch ärgerlichen Diskussionen verständlich zu machen. Und Heinz Gerig fordert viel, manchmal vielleicht sogar zu viel, doch er fördert auch nach Kräften.
Dieser gelernte Koch und Erwachsenenbildner, dieser harte Brocken entpuppte sich im Verlauf des Schuljahres als ein verbindlicher Vermittler einer Schweizer Realität, die eben nicht einer umarmenden Willkommenskultur entspringt. Denn die Schweiz ist kein Paradies für Flüchtlinge, das musste Gerig seinen Leuten beibringen, wenn sie es nicht schon wussten.
Ich erfuhr ebenso, dass die Flüchtlinge die Eindeutigkeit von Gerigs Wirken schätzten, ja, dass sie diesen harten Lehrmeister selbst mochten. Denn Gerig machte keine falschen Versprechungen. Und er erschien diesen Menschen in seiner ungeschönten Schilderung der Wirklichkeit verlässlich.
Weg mit dem Erfolgsmodell
Heinz Gerig ist kein subtiler Theoretiker der Integration, sondern ein Praktiker, ein zupackender Handwerker, ein Pionier auch: Den Riesco-Kurs entwickelte er vor neun Jahren auf Anregung des damaligen Justizministers Blocher, der zur «Integration durch Arbeit» aufrief. Der Kanton Luzern finanzierte das Pionierprojekt. Die heutige Justizministerin Sommaruga würdigte diese Pionierarbeit. Und der zuständige Luzerner Regierungsrat Guido Graf nannte den Integrationskurs «ein Erfolgsmodell».
Der Luzerner Asylkoordinator Ruedi Fahrni bezeichnet den Riesco-Kurs noch heute als «ein ausserordentlich erfreuliches Angebot, welches rund 70 bis 80 Prozent der Kursteilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln» könne.
Und doch hat nun der Kanton Luzern beschlossen, künftig auf den Riesco-Kurs und Gerigs Dienste zu verzichten. Zu anspruchslos seien die vermittelten Stellen, man möchte künftig Flüchtlinge vermehrt in Lehrstellen führen. Das ist löblich. Doch die allermeisten Flüchtlinge werden nie in der Lage sein, ohne eine solche Grundausbildung, wie sie Riesco darstellt, eine Lehre zu bestehen. Die sprachlichen und auch die kulturellen Hürden sind viel zu hoch. Zudem: Viele Riesco-Abgänger haben später eine Lehre gemacht und sich so verbessert.
Adieu Integration?
Der Kanton Luzern möchte günstigere Integrationskurse. Denn die Riesco-Kurse sind zwar erfolgreich, aber auch teuer, rund 26'000 Franken bezahlte der Kanton pro Teilnehmer. Allerdings: Ungefähr soviel kostet ein arbeitsloser Flüchtling jährlich an Sozialhilfe. Und so kann man sich fragen, ob diese Einsparung am Schluss nicht noch mehr kostet.
Wie gut muss die Luzerner Asylpolitik unterwegs sein, dass sie auf einen wie Heinz Gerig verzichten kann.