Zunächst waren es vorwiegend junge Männer, die sich aus den Kriegsgebieten auf nach Europa machten. Doch jetzt passieren laut einem Unicef-Bericht die griechisch-mazedonische Grenze zu fast zu 60 Prozent Frauen und Kinder.
Einmal angekommen, bedürfen diese massgeschneiderter Betreuungsmassnahmen. Doch wo steht die Schweiz, sollten die vielen Frauen und Kinder bald auch in unser Land einreisen? Welche Vorkehrungen sind getroffen? Wo besteht Handlungsbedarf? Und zuallererst: Warum kommen die Frauen und Kinder überhaupt?
Warum so viele Frauen und Kinder kommen
Laut Marianne Hochuli von der Caritas spitzt sich die politische Lage in Syrien im Moment weiter zu. Gleichsam erkennen die Menschen auf der Flucht in den Nachbarländern, dass sie ebenda keine Perspektiven haben. «Nun bringen sie die letzten Kräfte auf, um doch noch zu einer Zukunft zu kommen.»
Stefan Frey von der Schweizer Flüchtlingshilfe führt die deutsche Politik als Treiber für die aktuelle Fluchtbewegung an: «Deutschland diskutiert darüber, den Familiennachzug zu erschweren. So sehen sich die Frauen und Kinder, die noch in den Herkunftsländern oder in Lagern ausharren, je länger je mehr gezwungen, die mutmasslich letzte Chance zu ergreifen, bevor die Grenzen schliessen.»
Eine dritte Motivation ist gemäss Liselotte Fueter von Evangelische Frauen Schweiz (EFS) die prekäre Lage vieler Frauen aus Kriegs- und Krisenländern. Ihre Männer seien gestorben oder verschollen.
Besonders für ihren Nachwuchs hegten sie keine Hoffnungen mehr, wo doch «für die Mütter Perspektiven für ihre Kinder etwas vom Wichtigsten» sind. – «Was haben sie da noch für andere Möglichkeiten?» fragt Fueter.
Warum Frauen und Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen
Unzählige Frauen gelangen traumatisiert nach Europa. Dazu Milena Wegelin von Terre des Femmes: «Viele der Frauen haben geschlechtsspezifische Gewalt erlebt; im Rahmen von häuslicher Gewalt, im Heimatland, auf der Flüchtlingsroute, durch Schlepper, die Grenzbehörden, die Polizei.»
Und holt man hier die Frauen nicht richtig ab, werden laut Fueter vom EFS «Ängste geschürt, Traumata wiederholt und die Integration insgesamt verzögert.» Dass Kinder vergleichbar verletzlich sind, steht laut Experten ausser Frage.
Wie die Schweiz aus Sicht des Bundes abgestellt ist
Was die vom Bund geleiteten Empfangs- und Verfahrenszentren betrifft, gibt sich der Bund selbst gute Noten. Laut Lea Wertheimer vom Staatssekretariat für Migration (SEM) sei etwa das Personal, das die Asylverfahren durchführt, entsprechend «geschult und sensibilisiert».
Schlafzimmer sowie die Dusch- und WC-Zeiten hat man nach Geschlechtern getrennt. Und wo keine abtrennbaren Räume zur Verfügung stünden, würden «in der Regel nur Männer untergebracht.» Um den Frauen Beratung zu bieten, seien weiter «weibliche Medizinfachpersonen präsent.» Speziell für Mütter stünde ferner Babynahrung und Milchpulver zur Verfügung. Und schliesslich könnten Kinder Kinder sein, denn «für spezielle Beschäftigung wie Bastel-, Mal- oder Musiknachmittage ist gesorgt.»
Wie die Schweiz aus Sicht der Interessengruppen dasteht
Demgegenüber meldet Liselotte Fueter vom EFS Bedenken an: «Die Behörden sind vorbereitet, was das Lebensnotwendige betrifft. Aber ob man psychische Auffälligkeiten der Frauen und Kinder bearbeiten kann, da bin ich mir nicht ganz sicher.»
Auch Milena Wegelin von Terre des Femmes spart nicht mit Kritik, was die Betreuung von Frauen betrifft. Sie betont etwa, dass die Schweiz insbesondere auf kommunaler Ebene etwa Deutschland hinterherhinke. Tatsächlich hat man in der Bundesrepublik in vielen Städten Asylheime eigens für Frauen eingerichtet und sogar ein erstes Haus für Homosexuelle eröffnet. Hierzulande werden Asylsuchende auf Kantons- und Gemeindeebene hingegen meist in Kollektivunterkünften untergebracht – in denen laxere Regeln als in den Zentren des Bundes herrschen.
So oder so sei es laut Wegelin mit einzelnen Massnahmen nicht getan. Verlangt seien vielmehr umfassende und kontrollierbare Richtlinien, die auf allen politischen Ebenen griffen. «Wir fordern Qualitätsstandards, die menschenrechtskonform und geschlechtsspezifisch konzipiert sind und auch laufend überprüft werden.»
Schliesslich scheinen ganz besonders für Kinder und Jugendliche ein gross angelegter Plan, Fachkräfte und finanzielle Mittel zu fehlen. Dazu Franziska Peterhans vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH): «Wir haben gegenüber den Erziehungsdirektoren angemahnt, Notfallszenarien auszuarbeiten und vom Bund mehr Ressourcen zu verlangen.»
Nur wenige Wochen zuvor hat der LCH in einem Positionspapier noch härtere Töne angeschlagen: «Es ist unmöglich, die Mehrbelastungen der Schulen (...) mit den vorhandenen Mitteln zu finanzieren.»