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Erfolgreich trotz Stottern – wie Betroffene Barrieren überwinden
Aus Reporter vom 13.11.2024.
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Häufigste Sprechstörung Stotternde Erwachsene: Die Sprachstörung muss keine Bremse sein

Stottern ist eine Störung des Redeflusses. Betroffen sind häufiger Buben und Männer. Der Grund für diese Ungleichverteilung ist noch nicht restlos geklärt. Die meisten Betroffenen können das Stottern noch im Kindesalter ablegen. Ein Prozent der Bevölkerung stottert auch noch im Erwachsenenalter.

Harish Sritharan stottert, seit er sich erinnern kann. Und: Er wollte Lehrer werden, trotz seines sprachlichen Handicaps. Harish wollte es besser machen als die Lehrpersonen, die ihn unterrichtet haben. Diese nahmen nämlich keinerlei Rücksicht auf sein Stottern.

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Harish Sritharan: Lehrer trotz Stottern
Aus Reporter vom 13.11.2024.
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Besonders schlimm war es für ihn, Vorträge zu halten: Aufgrund seines stockenden Redeflusses brauchte er mehr Zeit als seine Mitschülerinnen und Mitschüler, bekam diese aber nicht. So konnte er seine Vorträge selten innerhalb der vorgegebenen Zeit zu Ende bringen und bekam dementsprechend schlechte Noten.

Kein Stottern bei der Arbeit mit Kindern

Auch sein Weg zum Traumberuf war beschwerlich: Aufgrund seines sprachlichen Handicaps wurde Harish Sritharan die Aufnahme an der Hochschule seiner Wahl verweigert. An der Pädagogischen Hochschule Luzern wurde der Basler zwar aufgenommen, das Studium dauerte für ihn aber ein Jahr länger als für seine Kommilitoninnen und Kommilitonen.

Was ist Stottern?

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Stottern ist das unfreiwillige Wiederholen von Lauten und Silben (Fa-fa-fa-fahrrad), das Dehnen von Lauten (Ffffffffahrrad) und Blockierungen vor oder in einem Wort (F–ahrrad). Wiederholungen, Dehnungen und Blockierungen sind Kernsymptome des Stotterns. Daneben gibt es sogenannte Sekundärsymptome, welche das Stottern begleiten können. Dies sind beispielsweise Mitbewegungen von Armen oder Beinen, Anspannung im Gesicht, Hals- oder Schulterbereich, Blickkontaktverweigerung oder auch Flucht- und Vermeideverhalten.

Harish gab sich aber nicht mit der Opferrolle zufrieden, sondern suchte immer wieder das Gespräch mit Dozierenden und der Diversitätsbeauftragten der Pädagogischen Hochschule Luzern. Mit dieser Beharrlichkeit und seinem pädagogischen Talent konnte er schliesslich alle Zweifler überzeugen.

Dabei kam ihm eine Besonderheit sehr entgegen: Im Umgang mit Kindern stottert Harish nicht.

Wortmeldungen brauchen Mut

Auch Joel Rieble kam in seiner Schulzeit nach Vorträgen immer wieder frustriert nach Hause. Er war bestens vorbereitet, konnte das erarbeitete Wissen mündlich aber nicht weitergeben. Logopädie und andere Therapien brachten nicht den gewünschten Erfolg.

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Wenn das Stottern die Entfaltung des wahren Potenzials erschwert.
Aus Reporter vom 13.11.2024.
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Joel stotterte auch nach dem Ende der obligatorischen Schulzeit noch und befürchtete, wegen seines Handicaps keinen spannenden Beruf erlernen zu können. Doch er machte eine Lehre zum Polymechaniker und hängte die Matura und ein Studium an. Heute arbeitet Joel Rieble als Entwicklungsingenieur.

Ich werde häufig unterschätzt.
Autor: Joel Rieble Entwicklungsingenieur

«Alles, was im Studium mit Kommunikation zu tun hatte, war hart», erinnert sich Joel Rieble. Es brauchte grossen Mut, sich während der Vorlesungen und Übungen zu Wort zu melden, wenn er etwas nicht verstanden hatte. Und dieser Mut fehlte Joel häufig.

Auch heute noch ist es schwierig für den 27-jährigen Luzerner, sich in Meetings zu Wort zu melden. «Ich werde darum häufig unterschätzt», sagt Joel Rieble. Für seine Vorgesetzten stellte sein Stottern indes nie ein Problem dar.

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Joel Rieble: Erfolgreich im Job
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«Im Berufsalltag fällt mir gar nicht mehr auf, dass Joel stottert», sagen sein Vorgesetzter und seine Berufskollegen bei der Firma Thermoplan in Weggis LU.

Buben stottern häufiger als Mädchen

Fünf Prozent aller Kinder stottern. Buben doppelt so häufig wie Mädchen. Die Ursache für diese Ungleichverteilung ist noch nicht restlos geklärt.

Der richtige Umgang mit stotternden Menschen

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Allgemein gilt im Umgang mit stotternden Kindern und Erwachsenen: Eine unbefangene und entspannte Atmosphäre ist wichtig, damit sich das Gegenüber nicht unter Druck gesetzt fühlt. Der Inhalt des Gesprächs und nicht das Stottern sollte im Mittelpunkt stehen.

  • Nicht unterbrechen! Das Gegenüber aussprechen lassen, auch wenn es manchmal schwerfällt. Sätze oder Wörter sollten nicht ergänzt werden, auch wenn das Gegenüber stark stottert.
  • Blickkontakt halten! Das heisst nicht, den stotternden Menschen während eines Gespräches pausenlos anzustarren. Sich so verhalten, als ob man mit einem nicht stotternden Gegenüber reden würden. Konkret: Natürlichen Blickkontakt halten!

Bei vier von fünf Kindern wächst sich das Stottern vor der Pubertät aus. Bei den Erwachsenen liegt der Anteil der stotternden Menschen bei ungefähr einem Prozent.

Kein Stottern beim Reden vor dem Spiegel

So sind es denn auch vornehmlich Männer, die sich in der Gruppentherapie bei Stotterexperte José Amrein in Luzern treffen. Der Logopäde arbeitet mit den Betroffenen vor allem an deren Selbstvertrauen.

Eindrücklich: Fast all seine Klienten reden flüssig und ohne zu stottern, wenn sie vor dem Spiegel mit sich selbst sprechen. Zum Stottern braucht es offensichtlich immer zwei. Darum unterstützt Amrein seine Klienten darin, sich mehr auf ihre Stärken zu konzentrieren als auf ihr Stottern und so ihr Selbstvertrauen zu stärken.

Nachteilsausgleich

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In der Schweiz gibt es keine einheitliche Regelung zur Gewährung eines Nachteilsausgleichs in den Kantonen. Und: Da die jeweilige Lebenssituation der Lernenden individuell ist, gibt es keine allgemeingültigen Kriterien.

Mögliche Massnahmen:

  • Kein Zeitdruck, mehr Zeit in mündlichen Prüfungen und Vorträgen anbieten
  • Ruhige, empathische Atmosphäre bei mündlichen Prüfungen schaffen
  • Schriftliche anstelle von mündlichen Prüfungen
  • Benotung aufgrund des Wissensstandes und nicht aufgrund der Redegewandtheit
  • Bei starkem Stottern Alternativen zu Vorträgen vor der Klasse anbieten: Durchführung in separatem Zimmer, Gewährung technischer Hilfsmittel, mündlicher Vortrag nur vor dem Lehrer, mündlicher Vortrag auf Ton-Videofile, mündlicher Vorträge schriftlich, kurze Vorträge
  • Abmachungen im Unterricht treffen: Nur aufrufen, wenn der Schüler sich meldet; kein Reihum aufrufen
  • Fragetechniken im Unterricht, die kurze Antworten zulassen
  • Vorstellungsrunden vermeiden, schwierig für Betroffene

Laut José Amrein hilft auch Akzeptanz: Sich selbst mit seinem Stottern anzunehmen, verflüssigt in der Regel die Sprechweise. Denn Stottern ist ein paradoxes Phänomen: Je mehr ein Betroffener sich bemüht, nicht zu stottern, desto mehr stottert er.

Stotternde Menschen sind empathisch

So oszillieren stotternde Menschen oft zwischen Scham, Therapie und Akzeptanz, sehen ihren stockenden Redefluss als störendes Persönlichkeitsmerkmal einerseits und als Chance andererseits: Denn stotternde Menschen gelten als sehr sensibel und empathisch und sind darum äusserst beliebte Gesprächspartner.

Joel Riebel etwa sagt von sich: «Das Stottern hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin, empathisch und feinfühlig, aber es wäre trotzdem schön, es loszuwerden.»

SRF 1, 13.11.2024, 21:00 Uhr

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