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Berufstätige Väter – Angst vor dem Karriereknick?
Aus rec. vom 02.10.2023.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 27 Minuten 55 Sekunden.

Kind oder Karriere? Berufstätige Väter zwischen Wunsch und Realität

Immer mehr Väter wollen aktiv am Alltag ihrer Kinder teilnehmen. Doch noch hat die Karriere für viele einen hohen Stellenwert – Teilzeitarbeit kommt für die meisten nicht in Frage. Steht die Angst vor dem Karriereknick jungen Vätern im Weg?

Der Unterschied ist enorm: 6 von 10 Frauen arbeiten in der Schweiz Teilzeit. Unter den Männern sind es nur 2 von 10. Der Graben wird sogar noch grösser, wenn Kinder im Spiel sind. 

Dabei wollen Väter immer mehr Verantwortung in der Kinderbetreuung übernehmen. Das zeigt eine Umfrage der Stiftung Elternsein von 2021

Wunschdenken und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Woran liegt das? Reporterin Viktoria will es herausfinden und trifft für ihre Reportage drei Väter in unterschiedlichen Familienmodellen.

Christoph Emch ist Vater einer eineinhalbjährigen Tochter und Partner in einer Kommunikationsagentur. Seine Karriere ist ihm wichtig, die Beziehung zu seinem Kind aber auch. Deshalb arbeitet er 100 Prozent in vier Tagen, was für ihn auslaugend und intensiv ist. «Ich musste mich anfangs überwinden, einen Tag für meine Tochter herzugeben.», sagt Christoph.

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Christoph Emch zwischen Vatersein und Karriere
Aus rec. vom 02.10.2023.
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Christoph Emch bricht ein Tabu und gibt zu, dass ihm die Entscheidung, einen Tag mit seiner Tochter zu verbringen, nicht leichtgefallen sei. 

Ich musste mich anfangs überwinden, einen Tag für meine Tochter herzugeben.
Autor: Christoph Emch

Für seine Frau Barbara Hess war von Anfang an klar, dass sie diejenige ist, die das Arbeitspensum reduzieren wird. Sie arbeitet heute 80 Prozent.

Ob sich Christoph Emch an seinem Betreuungstag voll auf die gemeinsame Tochter einlassen und fokussieren kann, war für Barbara Hess nicht sicher. Seit Tag eins hat sie aber keine Bedenken mehr.

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100 Prozent Arbeitsleistung und trotzdem einen Tag mit dem Kind
Aus rec. vom 02.10.2023.
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In seinem Agenturalltag wird Christoph Emch stark an seinen Leistungen gemessen. Diese müssen sich auch in den Zahlen niederschlagen. «Ich zweifle daran, ob das ein zukunftsfähiges Modell ist», bemerkt er. Unter diesen Umständen 100 Prozent in vier Tagen unterzubringen, gelingt ihm nicht immer.

Ich zweifle daran, ob das ein zukunftsfähiges Modell ist
Autor: Christoph Emch, arbeitet an 4 Tagen 100 Prozent

Auch Philipp würde gerne mehr Zeit mit seinem Kind verbringen. Vor der Geburt hat er deshalb bei seinem Arbeitgeber den Antrag gestellt, auf 80 Prozent reduzieren zu können. Sein Wunsch, in einem geringeren Pensum zu arbeiten, wurde von seinem Arbeitgeber aber nicht gehört. 

Was sagt der Arbeitgeberverband zu Teilzeitarbeit?

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Legende: Simon Wey Chefökonom des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes Schweizerischer Arbeitgeberverband

Im Interview mit Simon Wey, Chefökonom des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes

SRF: Wie steht der Schweizerische Arbeitgeberverband zu Teilzeitarbeit?

Simon Wey: Vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen setzen die richtigen Anreize, sollte es jeder und jedem überlassen werden, ob sie oder er Teilzeit arbeitet.  

Teilzeitarbeit ist nicht per se gut oder schlecht. So muss unterschieden werden, ob eine Person freiwillig oder unfreiwillig Teilzeit arbeitet. Bei der unfreiwilligen Teilzeit spricht man von Unterbeschäftigung.

Das sind Personen, die Teilzeit beschäftigt sind und gerne mehr arbeiten würden, dies jedoch nicht tun, weil es die Rahmenbedingungen nicht zulassen, sprich: Es gibt Fehlanreize.

Hier besteht ein grosses, ungenutztes Potenzial. Mehrarbeit muss sich in jedem Fall finanziell auszahlen. Es kann nicht sein, dass das Zusatzeinkommen durch eine höhere Erwerbsbeteiligung durch Steuern oder Kita-Kosten praktisch vollumfänglich wieder weggefressen wird.

Damit wir das Potenzial – insbesondere jenes der Mütter – möglichst optimal ausschöpfen können, braucht es bessere Anreize und Rahmenbedingungen. Stichworte sind hier z. B. genügend finanzierbare Drittbetreuungsangebote für Kinder, die Einführung einer Individualbesteuerung und eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten.

Wie sieht es aus, wenn die Teilzeitarbeit freiwillig gewählt wird? 

Bei der freiwilligen Teilzeitarbeit verzichten Personen auf mehr Arbeit, weil sie bereit sind, für mehr Freizeit auf Einkommen zu verzichten. Dies ist grundsätzlich jeder Person freigestellt, sofern sie für die damit verbunden Kosten vollumfänglich aufkommt.

Dies ist etwa dann nicht gegeben, wenn sich eine Person durch die Reduktion des Arbeitspensums als Folge des progressiven Steuersystems überproportional besserstellen kann. Bei der Einführung des progressiven Steuersystems arbeiteten die Erwerbstätigen noch grossmehrheitlich in einem Vollzeitpensum. Zwischenzeitlich arbeiten fast 37 Prozent aller Erwerbstätigen Teilzeit.  

In gewissen Fällen lohnt sich heute finanzielle Mehrarbeit nicht, etwa wegen der Steuerprogression bei Doppelverdiener-Ehepaaren oder weil ansonsten gewisse Subventionen oder die Krankenkassen-Prämienverbilligungen wegfallen.    

Geben Sie Ihren Mitgliedern Empfehlungen zum Thema Teilzeitarbeit ab? 

Nein, das ist nicht notwendig. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte regelt dies von selbst: Unternehmen bieten in der Regel auch Teilzeitstellen an, um auf dem Arbeitsmarkt möglichst attraktiv zu sein. Dass sich jedes Unternehmen bemüht, ein möglichst attraktiver Arbeitgeber zu sein, ist heute wichtiger denn je.    

Als Dachverband engagieren wir uns primär für optimale wirtschaftliche Rahmenbedingungen, zeigen aber auch Vor- und Nachteile der Teilzeitarbeit auf.  

Wo sehen Sie Vorteile in der Teilzeitarbeit und wo Nachteile? 

Teilzeitarbeit ist dann problematisch, wenn Arbeitnehmende in einem tieferen Pensum arbeiten (müssen), als sie gerne möchten. Und auch dort, wo Fehlanreize dazu führen, dass Arbeitnehmende verstärkt Teilzeit arbeiten. Mehrarbeit müsste sich immer lohnen. Das ist heute wegen der erwähnten Fehlanreize nicht immer der Fall.  

Ein zentraler Vorteil von Teilzeit ist in einer Situation gegeben, in der eine Person nur im Falle einer Teilzeitstelle in den Arbeitsmarkt eintritt, da sie keiner Vollzeitarbeit nachgehen kann. Dies betrifft hauptsächlich Mütter, die wieder eine Arbeit in einem Teilzeitpensum aufgenommen haben. Ohne die Möglichkeit der Teilzeitarbeit würden diese Mütter kaum zurück in den Arbeitsmarkt finden. 

Aus individueller Sicht ist der Vorteil: mehr Freizeit. Und die Nachteile: ein tieferes Einkommen, oftmals geringere Karrierechancen und weniger spannende Aufgaben sowie eine schlechtere Altersvorsorge.    

Das Gespräch führte Viktoria Kuttenberger.

Für Philipp und seine Frau Jessica war der abgelehnte Antrag ein Rückschlag. Eigentlich war fest eingeplant, dass Philipp einen Tag der Kinderbetreuung übernimmt.

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Pensumsreduktion abgelehnt – was bedeutet das für Philipp?
Aus rec. vom 02.10.2023.
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Ein Firmen-Wechsel kommt für Philipp aus karrieretechnischen Gründen aber dennoch nicht infrage.

Vaterschaftsurlaub in der Schweiz

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Erst seit 2021 haben Schweizer Väter Anrecht auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub.

Im Kanton Genf wurde dieses Jahr ein Elternurlaub von 24 Wochen eingeführt. Auf nationaler Ebene bleibt die Elternzeit, wie es sie beispielsweise in Deutschland gibt, chancenlos.

Bei den Abstimmungen im Juni 2023 lehnten die Stimmberechtigten die Initiative für eine Elternzeit mit 66,5 Prozent ab.

Daniel Wichtermann hat andere Prioritäten: «Mein Wunsch war es schon immer, eine Familie zu gründen und Zeit für sie zu haben.» Er und seine Frau sind beide zu 60 Prozent erwerbstätig, die restliche Zeit widmen sie ihren zwei Kindern.

Mein Wunsch war es schon immer eine Familie zu gründen und Zeit für sie zu haben
Autor: Daniel Wichtermann

Für Daniel war schnell klar, dass er aktiv am Alltag seine Kinder teilnehmen will. Karriereambitionen hatte er nie. Als Medizintechniker verzichtet er für mehr Flexibilität auf den Aussendienst und kann so seinen Büroalltag gut mit den Betreuungstagen kombinieren. 

Unterschiedliche Modelle, unterschiedliche Bedürfnisse – eine Challenge für die jeweiligen Familien sind sie allemal.

Radio SRF 3, 10.10.2023, 14:10 Uhr

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