2000 Personen im Basecamp, 421 Permits, 41 Expeditionen, 758 Personen auf dem Gipfel, davon 471 Sherpas, immer weniger professionelle Bergsteigerinnen, immer mehr Anfänger, Preise zwischen 45'000 Dollar bis 450'000 Dollar (rund 38'000 bis 380'000 Schweizer Franken) für eine Besteigung: Das Geschäft am höchsten Berg der Welt hat gigantische Ausmasse angenommen.
Es herrscht ein Konkurrenzkampf zwischen nepalesischen Anbietern, welche das Zepter übernommen haben, und ausländischen Agenturen, die versuchen, sich in dem Geschäft zu behaupten. Die nepalesische Regierung wird im nächsten Jahr den Preis für das Everest-Permit von 11'000 Dollar auf 15'000 Dollar hochschrauben (von rund 9300 auf gut 12'700 Schweizer Franken).
Das Expeditionsbusiness
«Das ist ja abartig», findet Kari Kobler, ehemaliger Inhaber der Expeditionsagentur Kobler und Partner aus der Schweiz, als er diesen Frühling im Basecamp des Everest ankommt. Der 69-Jährige war zum letzten Mal als Expeditionsleiter im Jahre 2008 am Berg. Seine Agentur hat er inzwischen verkauft.
Zu seiner Zeit sei alles noch klein und fein gewesen, die Expeditionsleiter hätten sich gekannt und in einer Expedition seien nie mehr als zehn bis zwölf Mitglieder gewesen. Bereits damals waren rund 40 Expeditionen im Basecamp, aber nur 1000 Personen, im Gegensatz zu 2000 heute.
Die Expeditionsagenturen kamen vor allem aus dem Westen, Neuseeland und Australien. Sie hatten ihre nepalesischen Agenturen, welche die Logistik in Nepal abwickelten. Die Sherpas waren ihre Angestellten, welche die westlichen Kunden auf den Gipfel bringen sollten.
Die neuen Chefs am Berg
Inzwischen sind die Nepalesen die Chefs am Berg. Rund 80 Prozent der Agenturen stammen aus Nepal. Eine davon ist Seven Summit Treks, welche von den Brüdern Tashi, Dawa und Mingma Sherpa gegründet wurde.
Mingma und Dawa waren früher von Kari Kobler als Sherpas angestellt. «Kari war unser Lehrer, wir haben von ihm gelernt», sagt Tashi, und sie hätten das Geschäft weiterentwickelt. So haben die Brüder den Service im Basecamp und die Logistik am Berg ausgebaut.
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Sie bieten die Besteigung des Everest zu Preisen zwischen 45’000 Dollar, im normalen Segment, bis zu 450’000 Dollar im Luxussegment an. Wer als VIP-Gast bucht, der hat ein eigenes Zelt mit Bett und Heizdecke, Wi-Fi, vier bis fünf Sherpas plus Helikopterservice, der ihnen ermöglicht, in einem eigens für sie eingerichteten Büro in Kathmandu die Geschäfte weiterzuführen.
Dies sei gut für die Wirtschaft, meint Tashi, denn früher seien nur Bergsteiger und Alpinistinnen gekommen, nun hätten sie auch sehr reiche Kundschaft aus den oberen Segmenten.
«Das Internet hat für uns das Geschäft verändert», sagt Dawa Steven Sherpa von Asian Trekking, einer der ältesten nepalesischen Agenturen. Früher seien die Kundinnen zu den Agenturen in ihren Heimatländern gegangen. «Heute können sie unser Angebot mit einem Klick checken und direkt bei uns buchen», so Dawa Steven Sherpa weiter.
Sie könnten bessere Preise machen, da bei ihnen die Kosten für die Zwischenhändler wegfielen. Auch die Kosten für den Transport des Materials ins Basislager seien kleiner und die Gewinnmarge müsse nicht so hoch sein wie bei westlichen Agenturen.
Die neue Kundschaft
«Früher waren es Bergsteiger, die einen Traum hatten, heute sind es mehrheitlich Trophäenjäger», meint Kari Kobler.
Für viele der heutigen Everest-Aspiranten steht tatsächlich nicht mehr die Faszination fürs Bergsteigen und den Everest im Vordergrund, sondern eine Botschaft, die sie per Social Media verbreiten: die Influencerinnen und Influencer, die ihre Anhängerschaft am Abenteuer teilhaben lassen.
Immer schneller, immer kürzer
Seine Agenda sei zu voll, um sich für die Everest Expedition sieben Wochen Zeit zu nehmen, erzählt der Tiroler Arzt Andreas Gredler. Er ist einer der Kunden von Furtenbach Adventures aus Österreich.
Die Agentur hat sich auf sogenannte Flash Expeditionen spezialisiert – statt sieben Wochen ist die Kundschaft nur drei Wochen am Berg unterwegs. «Die Akklimatisationsphase wird vom Berg nach Hause verlegt», erklärt Lukas Furtenbach.
Unter klinischen Bedingungen trainiert Arzt Andreas Grendler nach einem individuellen Trainingsplan in der Hochdruckkammer bei sich daheim. Er schläft zwei Monate vor der Expedition in einem Höhenzelt, wo die Druckbedingungen bis auf eine Höhe von 6000 Metern simuliert werden. Kostenpunkt über 100’000 Franken, das sind 30’000 Franken mehr als bei einer regulären Expedition.
Lukas Furtenbach will noch weiter gehen. Er arbeitet an einem Angebot mit dem Titel «Everest in einer Woche». Das entspricht in der schnelllebigen Gegenwart einem Bedürfnis, findet der Österreicher.
Das Business mit den Helikoptern
Während der Bergsteigersaison im Frühling landen und starten die Helikopter im Basecamp im Minutentakt. Everest-Aspirantinnen lassen sich nach der Akklimatisationsphase in tiefer gelegene Orte oder bis nach Kathmandu fliegen. Dort erholen sie sich, bevor sie zurückkommen, um den Berg zu besteigen.
Auch Trekker, die den Weg vom Everest-Basecamp zurück ins Tal nicht auf sich nehmen wollen, lassen sich fliegen. Der Everest sei ein Luxusberg geworden, konstatiert Maurizio Folini. Die Leute könnten es sich leisten, mit dem Helikopter hinunterzufliegen, statt zu laufen. Folini ist ein westlicher Pilot, der während der Everest-Saison für nepalesische Helikopterfirmen fliegt und in der Schweiz für Heli-Bernina.
Oder wie es der nepalesische Pilot Siddhartha Gurung, CEO von Simrik Air formuliert: «Heute verkaufen viele Trekkingagenturen ‹Oneway Trekking›: hochlaufen und herunterfliegen. Die Kosten für einen solchen Flug liegen bei 5000 bis 7000 Dollar.» Also rund 4200 bis 6000 Schweizer Franken.
Mehr als ein Dutzend nepalesische Helikopterfirmen profitieren von dem Business. Dazu gehören auch Rettungsflüge von in Not geratenen Bergsteigern. Die Patientinnen werden oft zu einer Erstversorgung ins Tal nach Lukla ins Pasang Lhamu Hospital geflogen.
Auch ein Versicherungsvertreter ist inzwischen vor Ort. Er kontrolliert, ob sie tatsächlich verletzt sind und ein Rettungsflug notwendig war.
In der Vergangenheit wurden Touristenflüge oft als Rettungsflüge ausgegeben, um die Kosten für den Flug nicht zu bezahlen.
Everest wohin?
Im Frühling 2024 standen 758 Personen auf dem Gipfel, 471 davon waren Sherpas und nur gerade 287 davon ausländische Gäste. «Am Ende einer Expedition hast du zwei Monate mit einem Kunden verbracht, und er weiss nicht einmal den Namen seines Sherpas. Das ist für mich sehr irritierend», sagt Norbu Sherpa, der selbst achtmal auf dem Gipfel des Everest als Climbing Sherpas stand.
Heute führt er seine eigene Agentur Wild Yak Expeditions, die sich darauf spezialisiert hat, kleine Expeditionen mit maximal sechs Kundinnen anzubieten, denn er wisse, wie hart die Arbeit für die Sherpas sei.
Wo sieht er die Zukunft? Er sei überzeugt, dass der Everest immer überfüllt sein werde, denn: «Es ist der höchste Punkt der Welt, und wer es sich leisten kann, der will dorthin, einfach um da gewesen zu sein.»