Beinahe hätten wir es nicht gefunden, dieses Heim für Langzeitsüchtige in Langenbruck, das es nun schon seit bald zehn Jahren gibt. Wir halten Ausschau nach einem Heimgebäude und landen vor einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus.
Kein Heim, sondern ein Daheim
Das sei Konzept des Hauses, erklären uns später die Leiter der 'Harmonie', Silvia Aerni und Jürg Lützelschwab. «Wir bieten unseren Bewohnern kein Heim, sondern ein Daheim», sagen sie. Mit allen Annehmlichkeiten, Regeln und Pflichten. Wer sich nicht daran halte, müsse gehen.
Doch es gehen die wenigsten. Und das, obwohl Roger, Peter, Susanne, Stefan und wie sie alle heissen schon viele Therapiestationen durchlaufen haben und diese oft wieder verlassen mussten.
Traum vom eigenständigen Leben
«In der 'Harmonie' bin ich angekommen», erzählt uns Peter. Ausgerechnet er, der seinem Leben vor ein paar Jahren, kurz vor seinem Eintritt ins Haus, ein Ende setzen wollte. Peter schöpft hier neue Hoffnung. Mit 52 Jahren und einer über 30-jährigen Drogenkarriere träumt er von einem Leben ausserhalb des Heimes.
«In den eigenen vier Wänden wohnen, das ist mein Ziel», sagt er. Die Betreuer unterstützen ihn dabei. Ob es gelingt, ist ungewiss. Auch die Beziehung mit seinem inzwischen erwachsenen Sohn möchte er nach Jahren endlich wieder anpacken. «Ich war ein Egoist und habe so vieles falsch gemacht», sagt Peter nachdenklich.
So sehr er sich ein Zusammentreffen wünscht, so sehr hat er Verständnis für die Vorbehalte seines Sohnes ihm gegenüber. «Man muss da behutsam vorgehen», meint Silvia Aerni vom Leitungsteam. Aber es sei bei ihnen immer dasselbe: Es seien die kleinen Fortschritte, die zählen.
Keine Abstinenz, keinen Druck, aber klare Grenzen
«Obwohl wir dafür eingerichtet sind, dass die Leute auch hier sterben können, geht es den meisten nach ein paar Monaten wieder besser», sagt Jürg Lützelschwab. Lange habe er mit sich gerungen, ob ihre Institution nicht auch einfach Teil einer Sozialindustrie sei, die auf Kosten der Junkies lebe.
Wenn er aber sehe, welche Fortschritte die Leute hier machen, glaube er an das Konzept: Keine rein abstinenzorientierte Therapie und keinen Druck, dafür aber klare Grenzen.
Und wir waren uns nach zwei intensiven Drehtagen einig: Die Geschichten von Roger, Peter, Susanne, Stefan, könnten Silvia Aerni und Jürg Lützelschwab recht geben.
Platzspitz und Bahnhof Letten Anfang der 90er Jahre.
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Bild 1 von 18. Platzspitz. Der «Needle Park» erlangte Anfang der neunziger Jahre eine traurige Berühmtheit. Bildquelle: Gertrud Vogler.
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Bild 2 von 18. Verwahrloster Junkie am Platzspitz, 1987. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 18. Platzspitz. Bis 1985 war die Abgabe von frischen Spritzen verboten. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 18. Drogensüchtige unter der Kornhausbrücke. Die Drogenszene am Letten war aggressiver und hektischer als am Platzspitz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 18. Krasser Gegensatz. Badegäste auf der einen, Dealer und Drogensüchtige auf der anderen Seite der Limmat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 18. Die offene Drogenszene am Letten. Bis zu 3000 Süchtige verkehrten hier täglich. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 18. Unter der Lettenbrücke, 1993. Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 18. Junkie am Letten. Es drehte sich alles um Heroin und Kokain, 1994. Bildquelle: SRF.
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Bild 9 von 18. Junkies unter der Lettenbrücke, 1994. Bildquelle: SRF.
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Bild 10 von 18. Der Letten war die Hölle. Junkies in Dreck und Verelendung, 1995. Bildquelle: SRF.
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Bild 11 von 18. Das Ende der offenen Drogenszene. Am Tag nach der Lettenschliessung. Bildquelle: Ringier Dokunentation Bild.
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Bild 12 von 18. Der obere Letten. Zwanzig Jahre nach der Schliessung ist die offene Drogenszene hier längst vergessen: . Bildquelle: SRF.
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Bild 13 von 18. Die offene Drogenszene am Letten war ihr Zuhause. Heute fühlt sich Ursula Brunner hier fremd. Bildquelle: SRF.
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Bild 14 von 18. Im Gespräch mit Ursula Brunner:. «Ich lebe heute ein beinahe suchtfreies Leben.». Bildquelle: SRF.
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Bild 15 von 18. Eine Süchtige spritzt sich Kokain in den Hals. In den Kontakt- und Anlaufstellen dürfen illegale Drogen konsumiert werden. Bildquelle: SRF.
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Bild 16 von 18. Aufhören ist keine Option. Reto B. kommt seit vielen Jahren täglich zur kontrollierten Heroinabgabe. Bildquelle: SRF.
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Bild 17 von 18. Kathrin Winzenried im Gespräch mit Toni Bortoluzzi. Der SVP Politiker kritisiert die heutige Drogenpolitik: Anstatt den Menschen zu helfen, einen Ausweg zu finden, belasse man sie in ihrer Sucht. Bildquelle: SRF.
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Bild 18 von 18. Wo früher Junkies und Dealer verkehrten. Die Badi am oberen Letten. Bildquelle: SRF.