Es ist die Zeit des Kalten Krieges. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion stehen sich unversöhnlich gegenüber, beide Mächte rüsten nuklear auf. Das sogenannte «Gleichgewicht des Schreckens» entsteht. 1961 teilt der Bau der Berliner Mauer die Welt endgültig in zwei Blöcke.
In diesem Klima entstehen im ganzen Westen Ideen geheimer Widerstandsorganisationen. Im Falle einer sowjetischen Invasion sollen sie sich verstecken und später dann dem Feind von hinten in den Rücken fallen. «Stay behind» nennt sich das Konzept. Nach dem Ungarn-Aufstand 1956 werden in der Schweiz die Vorbereitungen schrittweise auf- und ausgebaut.
Die ersten Versuche in der Schweiz scheitern: 1979 musste Albert Bachmann die Leitung des Spezialdienstes abgeben. Sein Nachfolger, Efrem Cattelan, führte die Vorbereitungen unter dem Decknamen «Projekt 26» weiter. Das Grundlagenkonzept trägt die Handschrift des damaligen Generalstabchefs – der Bundesrat war nicht informiert.
Im geheimen Bunker, Übernahme «Schweizerhof», oberhalb von Gstaad werden die Mitglieder heimlich trainiert. In den gemeinsamen Räumen tragen sie alle Masken – niemand darf sich kennen. Die Organisation ist zellenartig aufgebaut, die P-26-Mitglieder kennen immer nur den Namen ihres Chefs und zwei bis drei andere Personen. Bei einer Besetzung der Schweiz hätten sie eine Spezialausrüstung erhalten, darunter unter anderem eine Maschinenpistole mit Schalldämpfer und Goldvorräte.
Wer Mitglied der P-26 werden wollte, musste bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die Männer und Frauen erklärten sich bereit, im Falle einer Invasion ihr Leben zu riskieren. Sie mussten lernen, im Geheimen zu operieren. Die Rekrutierung erfolgte deshalb diskret und über Bekannte.
Die Identität des möglichen P-26 Kandidaten wird auch von der Bundespolizei und der kantonalen Polizei überprüft. Auf dieser Ebene ging es vor allem darum, ob die Person einen guten Leumund hatte. Der Kandidat sollte später keine Probleme verursachen und so der Organisation schaden. In Kursen von vier oder mehr Tagen, drei- bis viermal pro Jahr, lernen die Mitglieder die Grundlagen des geheimen Verhaltens. Dazu gehören Erkennungszeichen wie das Tragen einer Zeitung in der Hand oder unter dem Arm, ein Koffer und als Sicherheitszeichen eine Tabakpfeife im Mund oder in der Hand. Während fünf Jahren durchlaufen die Mitglieder diverse Kurse.
Im Februar 1990, also vier Monate nach dem Fall der Berliner Mauer, fliegt die P-26 auf. Die empörte Öffentlichkeit verlangt Rechenschaft, das Parlament setzt eine Untersuchungskommission ein. Diese kommt zum Schluss, die Mitglieder hätten zwar «keine staatsgefährdenden Absichten» gehabt, aber die Geheimarmee habe über keine genügende Rechtsgrundlage verfügt. Sie hätte zwingend politisch kontrolliert werden müssen.
Das Parlament beauftragt den Bundesrat, einen zusätzlichen Bericht auszuarbeiten. Denn: Es bestehe der Verdacht, dass die P-26 mit ausländischen Organisationen zusammenarbeitete, was eine Verletzung der Neutralität bedeuten würde.
Zudem stehen einige der ausländischen geheimen Widerstandsorganisationen, die alle in dieser Endphase des Kalten Krieges auffliegen, im Verdacht, mit rechtsextremen Kreisen zusammenzuarbeiten.
Der Cornu-Bericht
Als Ermittler setzt der Chef des Militärdepartements, Bundesrat Kaspar Villiger, den Neuenburger Untersuchungsrichter Pierre Cornu ein, der übrigens neu auch für die Bundespolizei die missbräuchlichen Postauto-Subventionen untersuchen soll. Gegenüber Cornu sind sämtliche Beamte und Instruktoren vom Dienstgeheimnis befreit.
Cornu ermittelt im In- und Ausland und kommt zum Schluss, die P-26 habe keine Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten gepflegt. Es habe zeitweilig zwar Ausbildungskontakte nach Grossbritannien gegeben, aber die Schweiz sei nicht in die geheimen Widerstandsorganisationen der Nato-Länder eingebunden gewesen.
Der Cornu-Bericht wird 1991 als Kurzfassung veröffentlicht, der Schlussbericht jedoch als geheim erklärt. Die ausführliche Fassung wird die Öffentlichkeit wohl erst 2051 lesen dürfen – zum Ärger vieler linker Politiker.
Die verschwundenen Begleitakten
Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die Begleitakten zum Cornu-Bericht vermisst werden. Insgesamt sieben Ordner und 20 Dossier. Trotz intensiver Suchaktion sind die Akten noch immer verschwunden.
Der Historiker Titus Meier arbeitet an einer Dissertation über die P-26. Ihm fiel als erstem auf, dass die Akten verschwunden waren. Er geht allerdings nicht davon aus, dass die verschwundenen Akten etwas Hochbrisantes enthalten: «Wenn die Akten vernichtet worden sind, dann nicht, weil sie brisant waren. Sonst hätte man auch den Cornu-Bericht vernichtet. Aber der Bericht ist vorhanden, sogar in mehreren Exemplaren.»
Trotzdem bedauert der Historiker das Verschwinden der Begleitakten: «Sie wären für Historiker interessant, da sie auf andere Fragen, die Pierre Cornu nicht untersucht hat, eine Antwort geben könnten.»