Man traut der Schlange nicht. Sie ist uns fremd, wirkt glitschig, nicht fassbar. Sie hat keine Mimik, verzieht nicht das Gesicht und blinzelt nicht: So charaktierisierte Tierbiologe Robert Zingg vom Zoo Zürich dieses Tier gegenüber «Einstein» (siehe Video unten) – mit Eigenschaften also, die von uns als negativ bewertet werden. Wie die gespaltene Zunge, die wir sprichwörtlich mit der Lüge, also Falschheit gleichsetzen. Dabei erfassen Schlangen damit nur ihren Lebensraum per Geruch: Sie «schnüffeln» Informationen aus der Luft; die beiden Spitzen ermöglichen ihnen, links und rechts zu unterscheiden – und damit die Richtung, aus der Gerüche kommen.
Doch was nützen Fakten gegen ein Klischee, das tausende Jahre alt ist? Bereits im alten China wurden Schlangen mit Drachen gleichgesetzt – sie waren gefährlich. Ihr Gift hat im Altertum weltweit zu Mythen und Kulten geführt. Und auch eine der bekanntesten Geschichten verteufelt sie: der alttestamentarische Sündenfall. Im Paradies verführt die Schlange Adam und Eva, vom Baum der Erkenntnis zu essen – sie müssen den Garten Eden verlassen, um fortan ein mühseliges Dasein zu fristen. Und damit wir alle.
So müssen Schlangen mit dem Attribut leben, «falsch» zu sein, auch wenn es, biologisch betrachtet, kaum einen guten Grund dafür gibt. Zwar pirschen sie sich schlau und leise an ihre Beute heran, doch andere Lebewesen gehen bekanntlich mit viel perfideren Tricks auf die Jagd – mit Fallen oder Netzen, wie der Mensch.