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Gruppenbild: Fünf der insgesamt 13 Mitglieder des SRF Netzwerk Faktencheck. Im Hintergrund der SRF-Newsroom.
Legende: Ein Teil des Teams Faktencheck (v. l.): Omar Zeroual, Leonard Flach, Matthias Heller, Melanie Kömle, Manuel Haldi. SRF/Gian Vaitl

Das SRF Netzwerk Faktencheck «Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es meist nicht wahr»

Statistiken zeigen: Desinformation im Internet nimmt zu. Bei SRF ist das Netzwerk Faktencheck täglich im Einsatz, um Falschinformationen zu bekämpfen. Doch wie gelingt der Faktencheck auch zu Hause? Melanie Kömle, Mediendokumentalistin und Leiterin des Netzwerks, gibt bei «Hallo SRF!» Antworten.

Fake News verbreiten sich heute rasant, auch durch künstliche Intelligenz (KI). Umso wichtiger wird für Medienhäuser wie SRF der Faktencheck – die Überprüfung von Inhalten auf ihre Echtheit. Hier kommt das 2017 intern gegründete SRF Netzwerk Faktencheck ins Spiel: Auf Anfrage von SRF-Mitarbeitenden überprüfen die 13 Mitglieder neben ihrer alltäglichen Arbeit in verschiedenen Abteilungen Fakten, recherchieren zusätzliche Quellen und verifizieren audiovisuelle Inhalte. Melanie Kömle leitet das Netzwerk und gibt im Interview Einblick in dessen Arbeit.

Mit welchen Anliegen wenden sich die SRF-Mitarbeitenden an euch?

Melanie Kömle: Unsere Aufgabe ist es, bei Unklarheiten bei der Verifikation von Inhalten als erste Anlaufstelle für die Mitarbeitenden da zu sein. Der Grossteil der Anfragen bezieht sich auf Videos und Fotos und kommt meistens dann, wenn es schnell gehen muss oder wenn etwas passiert ist. Manchmal geht es auch um reine Fakten.

Was versteht man unter Fake News?

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Unter den Begriff «Fake News» (zu Deutsch: Falschmeldungen) fallen falsche oder irreführende Informationen, die in den Medien oder im Internet absichtlich verbreitet werden, um Menschen zu täuschen oder zu manipulieren. Sie können in Form von Artikeln, Bildern, Videos oder Social-Media-Posts auftreten und sind oft schwer von echten Nachrichten zu unterscheiden.

Erinnerst du dich an einen besonders spannenden Fall?

Einen meiner ersten Faktencheck-Fälle bei SRF fand ich sehr spannend. Es ging um ein Video, das angeblich Explosionen in Syrien oder im Irak zeigen sollte. Ich habe es mir angeschaut und bemerkt, dass im Hintergrund Französisch gesprochen wurde. Durch die Strassennamen und den Ton konnte ich das Video schliesslich in Strassburg lokalisieren und den Zeitpunkt als Silvester identifizieren. Es war also nur ein Silvestervideo, in dem Feuerwerkskörper in Strassburg gezündet wurden.

Wir können Dinge selten zu 100 Prozent verifizieren, sondern wir versuchen, sie zu falsifizieren.

Gibt es Fälle, in denen ihr an eure Grenzen kommt?

An unsere Grenzen kommen wir meistens aufgrund von Zeitknappheit. Zum Beispiel wenn die Tagesschau um 19.30 Uhr beginnt, der Schnitt bis 19 Uhr fertig sein muss und die Anfrage erst um 18.30 Uhr kommt. Dann bleibt uns eine halbe Stunde für eine meist aufwendige Recherche inklusive Einschätzung, die natürlich nicht abschliessend ist.

Was meinst du mit «nicht abschliessend»?

Wir können Dinge selten zu 100 Prozent verifizieren, sondern wir versuchen, sie zu falsifizieren. Wir fragen uns: Welche Anhaltspunkte sprechen dafür, dass etwas stimmt, und welche dagegen? Spricht zum Beispiel bei einem Video zu viel dagegen, sollte es nicht verwendet werden. Oft kann alternativ auf bereits verifiziertes Material zurückgegriffen werden. Oder es wird im Beitrag darauf hingewiesen, dass die Echtheit des Videos nicht garantiert werden kann.

Melanie Kömle und Matthias Heller stehen mit Tobias Müller vor einem Monitor mit Bild und erklären den Faktencheck.
Legende: Melanie Kömle (M.) und Matthias Heller (r.) erklären «Einstein»-Moderator Tobias Müller (l.) in der Livesendung «Einstein Spezial» zum Thema «Was kann KI wirklich?» anhand eines Beispielbildes, wie der Faktencheck funktioniert. SRF/Gian Vaitl

Welche Methoden und Werkzeuge verwendet ihr zur Überprüfung von Inhalten?

Bestimmte Tools sind OSINT, das bedeutet sie sind Open Source Intelligence und für alle frei im Netz verfügbar. Diese kann man auch zu Hause nutzen und wenn man keine Journalistin oder kein Journalist ist. Zum Beispiel die Bilder-Rückwärtssuche und die Geolokalisation mit Google Maps. Gesammelt werden sie in Toolkits, die unter anderem vom investigativen Recherchenetzwerk Bellingcat angeboten werden.

So funktioniert die Rückwärtssuche

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Mithilfe der Rückwärtssuche können Bilder, Quellen und Zitate auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Die Rückwärtssuche funktioniert so:

  1. Bildüberprüfung: Sie geben die Bild-URL in die Suchmaschine ein. Die Suchmaschine zeigt Ihnen ähnliche Bilder und deren Ursprünge an.
  2. Quellenvalidierung: Sie geben einen Text oder eine URL in die Suchmaschine ein, um zu sehen, ob und wo der Inhalt bereits veröffentlicht wurde.
  3. Zitate verifizieren: Sie suchen über die Suchmaschine nach einem Zitat, um zu überprüfen, ob es korrekt wiedergegeben wurde.

Welche aktuellen und zukünftigen Herausforderungen siehst du für eure Arbeit?

Faktenchecks sind sehr wichtig, um unsere publizistischen Leitlinien bei SRF einzuhalten: Es soll nichts publiziert werden, von dem wir hätten wissen können, dass es falsch ist. Das ist natürlich per se herausfordernd. Vor drei Jahren gab es zudem einen grossen Entwicklungsschub in Bezug auf KI und sogenannte Deepfakes – mit KI erstellte oder manipulierte Bilder und Videos, die Mimik, Gestik und Stimme realer Personen nachahmen. Dadurch, dass KI jetzt so einfach nutzbar ist und immer besser wird, wird es immer schwieriger werden, Inhalte gut und vor allen Dingen schnell verifizieren zu können. Es gibt aber diverse Ansätze, auf die Entwicklung von KI zu reagieren – bei SRF zum Beispiel mittels KI-Richtlinien.

Im Internet und auf Social Media kann jede und jeder alles schreiben.

Laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2024 erkennen Schweizerinnen und Schweizer Fake News vergleichsweise schlecht. Wie kann man selbst einen ersten Faktencheck vollziehen und Fake News als solche identifizieren?

Das Erste ist: kritisch bleiben. Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es meistens nicht wahr. Nummer zwei: Kontext beachten. Wenn es ein Bild gibt, das den Papst bei einer Verhaftung zeigt, und ich finde das nur auf Facebook, aber keine grossen, vertrauenswürdigen Medien berichten darüber, dann ist es wahrscheinlich falsch. Drittens sollte man sich fragen: Gibt es eine zweite Quelle?

Welche Bedeutung hat Medienkompetenz in der heutigen Zeit und wie trägt das Netzwerk dazu bei, diese zu fördern?

Medienkompetenz ist sehr wichtig – daran kommt niemand mehr vorbei. Im Internet und auf Social Media kann jede und jeder alles schreiben. Das bedeutet, man muss selbst kompetent sein und prüfen, was glaubwürdig ist und was nicht. Wir vom SRF Netzwerk Faktencheck versuchen, nach aussen zu erklären, wie Medien funktionieren. Das tun wir zum Beispiel in Workshops oder bei unseren Auftritten als Expertinnen und Experten in den SRF-Programmen wie während der KI-Schwerpunktwoche. Auch SRF school bietet Workshops und Unterrichtsmaterial an.

Gut zu wissen

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Zur Stärkung der Medienkompetenz hat die SRG gemeinsam mit dem Verein Politools, Schweizer Medien und der Stiftung Mercator Schweiz einen digitalen Selbsttest entwickelt. Auf newstest.ch erhalten Sie im Anschluss an den Test weitere Tipps und Hilfsmittel zum Umgang mit Desinformation.

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