Schwarzer Teppichboden, abgedunkelte Räumlichkeiten, Glaswände um die Arbeitsplätze: Wer im Master Control Room arbeitet, muss sich bisweilen vorkommen wie eine teure Rarität, die einer Vitrine ausgestellt wird.
Eine Rarität ist der Master Control Room (MCR), im News- und Sportcenter am Standort Zürich Leutschenbach untergebracht, allerdings. Es gibt ihn im ganzen SRF-Universum nur einmal. Abgesehen von seinem Seltenheitswert zeichnet den Master Control Room aber auch seine technische Funktion aus. Er ist gewissermassen das Herzstück von Schweizer Radio und Fernsehen. Zusätzlich sind die Mitarbeitenden im MCR für bestimmte Signale der anderen SRG-Unternehmenseinheiten RTS und RSI zuständig. Wenn es hier zu einem Unterbruch kommt, kann nur noch das Sendezentrum mit einem Ersatzprogramm oder notfalls eine Störungsmeldung aushelfen.
Ein Bouquet voller Signale
Dafür, dass hier alle Signale zusammenlaufen, konfektioniert und distribuiert werden, wirken die vier Mitarbeitenden an diesem Montagabend Ende Januar 2024 erstaunlich ruhig. MCR-Techniker Sandro Huber erklärt die Ruhe im Raum: «Das Australian Open, für dessen Übertragung wir aufgrund der Zeitverschiebung nachts gearbeitet haben, ist vorbei. Und an einem gewöhnlichen Montagabend bleibt es überschaubar.» Der gelernte Audio-Videoelektroniker arbeitet seit sechs Jahren bei SRF. Angefangen hat er als Techniker beim Radio, wechselte dann in die frühere nationale Signalverteilung der SRG und ist nun seit zweieinhalb Jahren im Master Control Room tätig.
Hier fällt die Überwachung und Bereitstellung von Audio- und Videosignalen in seinen Verantwortungsbereich. «Die Redaktionen bestellen sogenannte ‹Bouquets› bei mir. Sie wissen am besten, was sie für ihre Sendungen genau brauchen.» Diese Bouquets stellt dann Sandro Huber bereit. Sie können mehrere Video- sowie mehrere Audiosignale enthalten, gerade bei Liveschaltungen zu Auslandkorrespondentinnen oder bei einem Skirennen mit Livekommentator.
Ich hab es am liebsten, wenn es ‹räblet› und richtig viel los ist.
Viele Bestellungen seien absehbar und kämen mit etwas Vorlauf, so Sandro Huber. Andere Bouquets sind so spontan, wie es Breaking News sein können – die spannendsten, wie der Techniker findet. «Ich hab es am liebsten, wenn es ‹räblet› und richtig viel los ist.» Ein Abend etwa mit unerwarteten Liveschaltungen oder einer, bei dem Multitasking gefordert ist.
Wie ist es für die Technikerinnen und Techniker im Master Control Room mit so viel Verantwortung umzugehen? Sandro Huber relativiert. «Mit der Zeit kommt die Routine. Und am Anfang wirst du ja gut eingearbeitet und von deinen Kolleginnen und Kollegen begleitet.» Ihm selber helfe der Gedanke daran, dass keine Leben auf dem Spiel stünden. «Meine Frau arbeitet in einem Medizinlabor, das ist nochmals ein anderes Level.»
Zehn Bildschirme vor der Nase
Aber was, wenn es zu Unterbrüchen kommt? Was, wenn er etwa schon beim Testen mit einem Übertragungswagen merkt, dass das Signal fehlt? Glücklicherweise stünden ihnen mehrere Sendesysteme zur Verfügung, so Sandro Huber. Das Satellitensignal ist eine Option. Mittlerweile kommen aber viele Signale über sogenannte «Live U»-Transmitter rein – das ist ein tragbares System, das Aufnahmen über das Handynetz übertragen kann.
Vor Sandro Huber türmen sich zehn Bildschirme in verschiedenen Grössen auf – sein eigener Rechner nicht mitgezählt. Auf ihnen flimmern linear ausgestrahlte Sendungen in Echtzeit, aber auch Test- oder Standbilder von einem Studio in Übersee und einem in Rom.
Ein Bildschirm zeigt aktuelle Aufträge, eben die Bouquets, und ihren Status. Ein anderer zeigt in verschiedenen Farben und Formen die Zusammensetzung der Signale sowie ihre Verlinkung an. Entfernt erinnert ihr Anblick an eine simplere Version von «Minecraft» oder an eine frühe Version von Tetris.
Antizyklisch zu arbeiten, hat gewisse Vorteile, gerade wenn man pendelt.
Immer wieder wird Sandro Huber von Telefonanrufen unterbrochen. Sein Kollege übernimmt. Die Kolleginnen aus Genf sind am Draht. Dass sich im Master Control Room Deutsch, Französisch, Englisch und manchmal auch Italienisch abwechseln, gehört zum Daily Business.
Ebenso die unregelmässigen Arbeitszeiten. Ganze fünf Schichten bestreiten die total 20 Mitarbeitenden. Stehen Liveübertragungen an, etwa für das US Open oder das Australian Open, ist der Glaskasten während 24 Stunden besetzt. Die wechselnden Präsenzzeiten seien für ihn kein Problem, sagt der Techniker. «Antizyklisch zu arbeiten hat gewisse Vorteile, gerade wenn man pendelt.» Staus liessen sich so einfach umgehen. «Ausserdem schätze ich es, wenn ich am Tag etwas erledigen kann», sagt er und lacht.
Seit 18 Uhr sitzt Sandro Huber an seinem Desk im Master Control Room. Bis seine Schicht endet, vergehen indes noch ein paar Stunden. Er wird sich erst nach Mitternacht auf den Nachhauseweg machen – erst auf leeren Gängen bei SRF und dann auf praktisch unbefahrenen Strassen, in angenehmer Stille.