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André Perler ist Mundartredaktor bei SRF.
Legende: André Perler ist Mundartredaktor bei SRF. SRF

Mundartredaktor im Interview Wie floskelhaft sind Fussballinterviews wirklich?

Fussballinterviews gelten als wenig informativ und sehr standardisiert – zu Unrecht? SRF-Mundartredaktor André Perler hat den Ball aufgenommen und ist dem Phänomen auf den Grund gegangen.

André Perler, welches Fussballinterview bleibt für dich unvergesslich?
Ein Klassiker ist sicher Giovanni Trapattonis legendärer Ausraster als damaliger Trainer des FC Bayern München. Oder auch Ex-Natispieler Admir Mehmedis Antwort auf die Frage, mit wem er sein Trikot tauschen möchte. Er: «Ich bin nöd da zum Liiblis tüüschle» . Mir gefallen Momente, wo die Spieler aus sich rauskommen und keine Standardantworten liefern.

Oftmals ist es jedoch genau umgekehrt: Fussballinterviews gelten als wenig informativ. Die Gründe dafür analysierst du in deinem neusten «Dini Mundart»-Video. Weshalb wolltest du dieses Video produzieren?
Mit den Europameisterschaften vor der Haustüre haben wir uns gefragt, welche Fussballaspekte in sprachlicher Hinsicht spannend sind. Von da kamen wir schnell auf die Interviews, von denen es ja oft heisst, sie seien floskelhaft und die Fussballer gäben dumme Antworten. Wir wollten Erklärungen dafür finden, weshalb dieser Eindruck entsteht und weshalb die Spieler oftmals eigentlich keine andere Wahl haben.

Wieso sind denn viele Fussballinterviews floskelhaft, obwohl sie emotional sein sollten?
Weil die Spieler genau wissen: Wenn ich jetzt etwas Kontroverses sage, dann wird mir das noch lange vorgehalten. Zudem gibt es Abhängigkeiten, die man nicht vernachlässigen sollte: Die Spieler sind ihrem Team verpflichtet. Teamkollegen zu kritisieren, ist da schwierig. Dasselbe gilt auch für die Kritik an gegnerischen Teams, denn sie wollen ja nicht riskieren, aufgrund zu harscher Worte nicht mehr transferierbar zu sein.

Damit wird das Interview zum kommunikativen Spiessrutenlauf…
Ein Fussballinterview nach dem Spiel ist eine sehr künstliche Situation. Denn sowohl der Journalist als auch die Zuschauenden haben das soeben beendete Spiel selbst in voller Länge gesehen. Was kann der Spieler schon Neues dazu sagen? Es braucht von Journalistinnen einige Inspiration, um Aspekte zu finden, die nicht schon alle kennen. SRF-Reporter Jeff Baltermia ist dafür ein positives Beispiel: Er geht auf die Stimmungslage der Spielenden ein und gibt ihnen den Raum, ihre Sicht der Dinge zu schildern.

Unterscheiden sich Fussballinterviews je nach Land?
Ja. Das liegt weniger an den Spielerinnen und Spielern als an den Medien. Wo die Medien aggressiver sind, provokative Fragen stellen, sind die Eklats vorprogrammiert. In der Schweiz sind wir schon eher darauf bedacht, uns zurückzunehmen, Aussagen oder Fragen mit Konjunktiven abzuschwächen… Es ist auch eine Frage der Mentalität, wie man Interviews gibt und führt

Viele Fussballausdrücke finden auch in der Alltagssprache Verwendung. Wieso?
Fussball ist etwas, zu dem viele Menschen einen Bezug haben. Das Grundwissen über das Funktionieren des Spiels ist relativ breit. Den Leuten ist sofort klar, was gemeint ist, wenn ich im Politkontext sage: «Mit dieser Forderung hat sich der Politiker komplett ins Offside manövriert».

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