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«Als Grufti id Stifti» Mit 60 in die Lehre: «Selbstironie braucht es schon»

Als knapp 60-Jährige den Job als Sozialarbeiterin aufgeben und eine Lehre als Landwirtin starten – Maja Bleibler hats gemacht und nie bereut. «Einfach probieren!» – so ihr Rat. Der letzte Teil der «Espresso»-Serie «Als Grufti id Stifti».

Steckbrief

Name: Maja Bleibler Scheben
Alter:60
Ursprünglicher Beruf:
Sozialarbeiterin
Lehre als:
Landwirtin EFZ
Lehrbeginn:2013
Lehrbetrieb:Bergerhof in Maur ZH
Grösste Herausforderung:Die Mehrfachbelastung: Familie, Arbeit auf dem Hof, Nebenjob, Schule und Lernen unter einen Hut zu bringen.
Fazit:
Es hat sich absolut gelohnt – ich fühle mich heute gesünder und zufriedener!
Tipp: Einfach probieren! Bei mir hat es vor allem geklappt dank Blindbewerbungen und einer guten Portion Glück.
Audio
Finale «Als Grufti id Stifti»: «Selbstironie braucht es schon»
aus Espresso vom 12.02.2016. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 9 Minuten 16 Sekunden.

30 Jahre lang arbeitete Maja Bleibler als Sozialarbeiterin in Zürich. Die alles entscheidende Frage kam, als ihre drei Kinder flügge wurden: «Was will ich mit meinem Leben eigentlich noch anfangen?» Sie entschied sich für den kompletten Neustart mit einer Lehre als Landwirtin.

Dank Blindbewerbung zur Lehrstelle

Für die Lehrstellensuche holte sich Maja Bleibler eine Liste mit Bauernbetrieben, die Lernende ausbilden, und bewarb sich ins Blaue. Sie startete bei Betrieben mit Buchstabe A – doch bereits bei Buchstabe B wie «Bergerhof» war die Sache geritzt. Nach einem Einstiegspraktikum konnte die 60-Jährige auf dem Bergerhof im zürcherischen Maur als Stiftin starten.

«Ich habe es erst total unterschätzt»

«Espresso»-Serie

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«Espresso» porträtiert jeden Freitag über 40 Jahre alte Hörer, die beruflich nochmals ganz vorn begonnen haben – mit einer Lehre. Mehr

Die Ausbildung zur Landwirtin hat Maja Bleibler zu Beginn jedoch unterschätzt. «Ich dachte, Landwirtschaft – das macht man doch mit Links! Aber ich bin sehr viel am Arbeiten, auch schulisch, mit den Hausaufgaben», gesteht die ehemalige Sozialarbeiterin.

Doch man spürt als Besucher sofort: Maja Bleibler ist auf dem Hof im Element. Sei es beim Kälber füttern, Stall ausmisten oder beim Kühe melken. Nur mit dem Traktorfahren steht sie noch immer auf Kriegsfuss.

Man habe sich damals schon überlegt, ob eine 60-jährige Sozialarbeiterin das alles noch lernen könne, erinnert sich Lehrmeister und Betriebsleiter Felix Berger. Doch den positiven Entscheid bereut er keine Sekunde. Dass Maja Bleibler 15 Jahre älter ist als er, habe durchaus auch Vorteile, schmunzelt er: «Sie ist viel kritischer als andere Lehrlinge und hinterfragt alles. Man muss ihr alles begründen und erklären können.»

Vorurteile gehörten dazu

Auch Mit-Stift Marco hatte zu Beginn Vorbehalte: «Bevor ich sie zum ersten Mal traf, fragte ich mich schon, was das wohl für eine ist. Und ob sie mit 60 Jahren vielleicht schon Altersschwäche hat?» Der Zweitlehrjahr-Stift war dann total überrascht, auf eine lebenslustige und zupackende Frau zu treffen. «Das war definitiv ein Vorurteil von mir und hat sich gar nicht bestätigt», sagt Lehrling Marco und lacht.

Ohne Nebenjob ginge es nicht

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Auf dem Bergerhof in Maur arbeitet Maja Bleibler zu 50 Prozent. Weitere 50 Prozent arbeitet sie im Büro einer Immobilienfirma. Nur so kann sie sich den Traum einer Lehre überhaupt leisten. Etwas Überwindung, in diesem Alter nochmals von vorne zu beginnen, habe es schon gebraucht. Vor allem in der Schule, sagt Bleibler: «Der erste Tag hat extrem Überwindung gekostet. Und manchmal frage ich mich heute noch, was ich da eigentlich mache. Eine gewissen Selbstironie braucht es schon.»

Die 40 Jahre jüngeren Lernenden in der Schule hätten am Anfang gar nicht mit ihr geredet. «Sie dachten sich wohl, die ist in einem Monat sowieso wieder weg.» Doch Maja Bleibler blieb. Und macht im Sommer nun die Lehrabschlussprüfung. Bereut hat sie diesen Weg nie: «Es hat sich absolut gelohnt!»

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