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Läden müssen eigentlich von Gesetzes wegen am Sonntag schliessen. Doch es gibt viele Ausnahmen: An Bahnhöfen und Flughäfen, in Tourismus-Gebieten, an Tankstellen. Je nach Kanton gibt es zahlreiche Gründe, warum Läden am Sonntag trotzdem öffnen dürfen.
Wo keine dieser Ausnahmen zieht, greift Coop Pronto zu einem Trick: Man vergibt den Laden gezielt an eine Familie. Denn Familienbetriebe sind vom Arbeitsgesetz ausgenommen und dürfen auch am Sonntag öffnen.
Familie für Laden gesucht
Aktuell sucht Coop Pronto eine Familie, die einen Laden in Basel übernimmt. Im Inserat schreibt die Coop Mineralöl AG, welche die Pronto-Läden unter sich hat, dass der Shop an 365 Tagen im Jahr geöffnet sein soll. Sprecherin Sabine Schenker gibt zu, dass dies der Grund für die Familiensuche ist: «Einem Familienbetrieb ist es erlaubt, am Sonntag oder am Abend länger offen zu haben.»
Das Erstaunliche daran: Das Bundesgericht hat im letzten Jahr diese Praxis eigentlich untersagt. Im Falle von Coop-Pronto-Shops in der Westschweiz entschied das Gericht, dass eine GmbH oder eine AG nicht gleichzeitig ein Familienbetrieb sein kann. Und weil alle Coop-Pronto-Filialen rechtlich gesehen von einer eigenständigen GmbH betrieben werden, heisst das: Die Ausnahme mit der Familie hinter der Theke zieht nicht mehr. Der Laden müsste schliessen.
Das Schlupfloch von Coop Pronto
Davon betroffen sind acht Coop-Pronto-Läden in der Westschweiz, der Ostschweiz und Basel. Doch die Coop Mineralöl AG hat bereits einen Ausweg gefunden. «Wir empfehlen unseren Franchise-Partnern mit Familienbetrieb, ihre Gesellschaftsform von einer GmbH in eine Kollektivgesellschaft umzuwandeln», sagt Sabine Schenker gegenüber dem Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1.
Im Klartext: Die Familienbetriebe müssen einfach eine Bewilligung mit einer neuen Rechtsform beantragen. Dann dürften sie am Sonntag weiterhin öffnen. Der Kanton Basel-Stadt, in dem drei Pronto-Familienbetriebe arbeiten, akzeptiert diese Umwandlung und schlägt sie sogar in einem Schreiben an die betroffenen Betriebe selbst vor.
Für Familien ein Risiko
Die Umwandlung ist zwar nur eine Formalität, aber für die Familienbetriebe riskant. Mit dem Wechsel von einer GmbH zu einer Kollektiv-Gesellschaft oder einer Einzelfirma ändert sich nämlich die Haftung, sagt «Espresso»-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner.
«Bei einer GmbH haftet man nicht mit dem Privatvermögen, bei einer Kollektivgesellschaft schon», sagt die Juristin. Das bedeutet, dass ein Ehepaar, das ein Familienlädeli führt, im Ernstfall mit dem ganzen privaten Vermögen für einen Konkurs grade stehen muss. «Wenn die Familie ein Haus hat, kann sie auch das Dach über dem Kopf verlieren.»
«Juristischer Trick»
Natalie Imboden, verantwortlich für den Detailhandel bei der Gewerkschaft Unia, kritisiert das Vorgehen von Coop Pronto scharf. Mit einem juristischen Trick umgehe der Konzern so den Arbeitnehmerschutz: «Es ist fast schon zynisch, wenn grosse Firmen sagen, sie seien familienfreundlich und dann haben sie am Wochenende ausgerechnet Familien im Einsatz», so Imboden.
Die Entwicklung zu mehr und mehr Sonntagsarbeit mache ihr Sorgen, denn im Detailhandel herrschten schon so teilweise prekäre Arbeitsbedingungen mit tiefen Löhnen. «In den eigenständigen Shops kommen auch keine Gesamtarbeitsverträge zu Anwendung. In den Familienbetrieben fällt der gesetzliche Schutz weg. Das heisst, diese Leute sind vollkommen ungeschützt», sagt Natalie Imboden.
«Wir missbrauchen keine Familien»
Die Coop Mineralöl AG wehrt sich gegen die Vorwürfe der Gewerkschaft. Man nutze lediglich den Spielraum, den das Gesetz biete und missbrauche deshalb auch keine Familien. «Diese Familien melden sich freiwillig, wir bieten ihnen die Möglichkeit einen Shop zu übernehmen», sagt dazu Sabine Schenker.
Vertraglich sei es so geregelt, dass die Familienbetriebe über ihre Öffnungszeiten selbst bestimmen. «Die CMA als Franchisegeber kann hier nur wirtschaftliche Empfehlungen abgeben» sagt Sabine Schenker.