Anja Schmid hat diesen Sommer in Luzern ihren eigenen Coiffeursalon eröffnet. Zuvor war die Coiffeuse bei Gidor angestellt. Weil sie ihre kranke Grossmutter pflegen musste, konnte sie nur teilzeit arbeiten, in einer Gidor-Filiale in Luzern. Doch bereits während der Probezeit bekam sie die Kündigung.
Das macht ihr noch heute zu schaffen: «Ich habe mich für 80 Prozent beworben und die Stelle bekommen und den Vertrag unterschrieben. Aber nach kurzer Zeit sagte meine Chefin, ich soll 100 Prozent arbeiten. Wenn ich das nicht akzeptiere, dann kündigen sie mir.»
Arbeit vorbereiten in der Freizeit
Anja Schmid konnte wegen ihrer Grossmutter nicht voll arbeiten. Sie musste gehen. Dabei hat sie hart gearbeitet. Von morgens bis abends stand sie im Coiffeursalon und bediente Kunden. 43 Stunden pro Woche. Soviel erlaubt der Gesamtarbeitsvertrag. Doch ihre Chefin habe mehr verlangt, sagt Anja Schmid. Sie und ihre Kolleginnen hätten auch Arbeiten verrichten müssen, die Gidor nicht bezahlte.
«Am morgen ist man immer eine Viertelstunde früher im Laden zum Vorbereiten und wenn kurz vor Schluss noch ein Kunde kommt, dauert es länger um nachher zu putzen», sagt die 22jährige. Das sei alles nicht bezahlt worden.
Gidor verstosse damit gegen den Arbeitsvertrag, sagt Thomas Geiser, Professor für Arbeitsrecht an der Uni St. Gallen: «Wenn Sie etwas vorbereiten müssen im Betrieb oder nachher aufräumen, gehört das zur ganz gewöhnlichen Arbeitszeit. Und der Arbeitsvertrag ist entgeltlich, also ist Arbeitszeit auch zu bezahlen.»
Gidor schreibt dazu: «Sollten in dieser Filiale unbezahlte Arbeitszeiten vorgekommen sein, so entspricht das in keiner Weise den Vorgaben der Firma und wird absolut nicht geduldet.»
Fehlbeträge mussten Mitarbeiter bezahlen
«Kassensturz» weiss von weiteren ehemaligen Coiffeusen aus dieser Luzerner Filiale, die sich beklagen. Eine Coiffeuse schreibt, dass sie Fehlbeträge in der Kasse aus eigener Tasche bezahlen mussten. «Bei Gidor mussten wir Minus-Beträge selbst bezahlen. Als sie uns aufforderten, einen Betrag von 100 Franken geteilt durch drei Kolleginnen zu zahlen, habe ich mich geweigert.»
Sie hat sich zurecht geweigert, sagt Arbeitsrechtler Thomas Geiser, denn: «Der Arbeitnehmer muss den Schaden nur dann ersetzten, wenn man ihm individuell nachweist, dass er tatsächlich den Schaden verursacht hat. Und das ist hier nicht nachgewiesen, also muss er ihn nicht bezahlen.»
Gidor gibt solche Vorkommnisse zu und schreibt: «Mankos in den Kassen sind in unserer Branche tatsächlich ein Problem. Wir haben die Problematik aber erkannt und werden dementsprechend unsere Praxis sofort ändern.»
Billigketten drücken die Löhne
Gidor betreibt 77 Filialen in der Schweiz. 700 Coiffeusen arbeiten für die Firma. Die Löhne sind äusserst bescheiden, die Arbeitsbedingungen schlecht. Walter Affolter, zuständig für die Coiffeurbranche der Gewerkschaft Unia, kennt das Problem.
Viele Billigketten würden die Löhne drücken: «Gidor zahlt als Kettenbetrieb im absoluten Minimalbereich.» Er zahle zwar Umsatzprovisionen, doch weil die Preise so tief sind sei es sehr sehr schwer für die Mitarbeiter den Lohn selber steigern zu können.
3400 Franken monatlich ohne Gratifikation
Selbst bei einem Umsatz von 10‘000 Franken verdienen Coiffeusen mit eidgenössischem Fähigkeitausweis gerade mal den Mindestlohn von brutto 3400 Franken. Einen 13. Monatslohn gibt es nicht. Und nur vier Wochen Ferien.
Gidor schreibt dazu, dass «unsere Coiffeusen 200.- Franken und mehr als der vorgegebene Mindestlohn» verdienen würden. Über 50 Prozent der Coiffeusen erhielten mehr als den Basislohn gemäss GAV.
Besitzer-Familie Giger ist millionenschwer
Gidor ist im Familienbesitz. Die Brüder Louis und Phillip Giger führen das Geschäft. Sie sind Multimillionäre. Vater Louis Giger senior hat das Unternehmen aufgebaut. Er versteuert ein Einkommen von 1,3 Millionen Franken und ein Vermögen von 55 Millionen. So stehts im letzten Steuerausweis.
Der Patron hat sich mittlerweile zur Ruhe gesetzt. Und wohnt in einer Villa in Oberengstringen. Ihr Vermögen sei Privatsache, sagt Familie Giger, sie wollten sich dazu nicht äussern. Mithilfe von tausend Coiffeusen, die nur wenig verdienen, hat die Familie Giger Millionen gemacht.