Der TV-Spot von Bio Suisse verspricht viel: «Wir arbeiten lieber mit der Natur, und das schmeckt man», heisst es da. Und: Die Bio-Knospe bringe den Geschmack zurück.
Doch erkennen Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich den Unterschied im Geschmack? Nein, sagt Regula Bickel vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau Fibl. Es gäbe keine wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass Bio bei Rohprodukten wie Früchten und Gemüse im Geschmack besser sei. «Es sind andere Faktoren wie Düngung, Lage oder Zeitpunkt der Ernte, die den Geschmack stärker beeinflussen», sagt die Lebensmittelingenieurin. Auch die Sorte sei sehr entscheidend. Regula Bickel: «Bio-Karotten beispielsweise erkennt man wegen ihrer Sorte. Die Bio-Bauern bauen schon seit längerem einfach die besseren Sorten an».
Grosse Unterschiede
Werden die Lebensmittel jedoch verarbeitet, so ist ein deutlicher Geschmacksunterschied erkennbar. Der Grund: Bio verbietet viele Produktions- und Verarbeitungsprozesse.
Orangensaft: Die meisten erkannten Bio
Ein Grossteil des in der Schweiz konsumierten Orangensafts stammt aus Brasilien. Die Orangen werden vor Ort zu Konzentrat verarbeitet, tiefgekühlt und mit dem Schiff nach Europa transportiert. In einem aufwendigen Prozess wird dann dem Konzentrat wieder Wasser und Aroma hinzugefügt, bevor der Saft pasteurisiert und abgefüllt wird.
Die Bio-Suisse-Knospe verbietet die Herstellung von Orangensaft-Konzentrat. Das widerspreche dem Grundsatz einer möglichst schonenden Verarbeitung, sagt Bio Suisse. Darum enthält der Orangensaft mit dem Label der Bio-Knospe den ganzen Fruchtsaft der Orangen. Das heisst: Die Orangen werden gepresst, der Saft gefroren, transportiert und dann pasteurisiert und abgefüllt.
Doch erkennen Konsumentinnen und Konsumenten diesen Unterschied auch im Geschmack? «Kassensturz» macht auf dem Basler Marktplatz die Stichprobe. Tatsächlich, die meisten spürten einen geschmacklichen Unterschied. Sie erkannten das Konzentrat und demzufolge auch den Bio-Orangensaft mit der Knospe.
Getrocknete Aprikosen: Schwefel oder kein Schwefel
Auch Zusatzstoffe sorgen für Geschmacksunterschiede zwischen Bio und herkömmlichen Lebensmitteln. Beispiel: getrocknete Aprikosen.
Herkömmlich getrocknete Aprikosen sind orange. Der Grund: Die Aprikosen enthalten Konservierungsmittel. Sie werden mit Schwefeldioxid behandelt.
Nebst der Farberhaltung schützt die Schwefelung auch vor Pilzen und Bakterien. Doch das wäre nicht nötig, denn getrocknete Früchte seien auch ohne Konservierungsmittel sehr lange haltbar, sagt Regula Bickel vom Fibl.
Die Schwefelung diene bloss der Optik, «Bio will möglichst natürliche Produkte». Bio-Dörrfrüchte sind dunkelbraun bis schwarz. Auch gedörrte Bio-Aprikosen. «Konsumentinnen und Konsumenten sind sich auch heutzutage noch gewohnt, dass sich Dörrobst farblich unterscheidet». Mit der Einführung von Bio-Dörrfrüchten habe jedoch ein Umdenken begonnen.
Wie denken Konsumenten darüber? Und welche Aprikosen schmecken ihnen besser? «Kassensturz» führt eine weitere Stichprobe durch. Die Meinungen gehen auseinander, die Geschmäcker sind verschieden. Einige mögen die möglichst naturbelassenen getrockneten Aprikosen, andere hingegen lieben den säuerlichen Geschmack der geschwefelten Aprikosen.
Joghurt: Bio schmeckt oft weniger intensiv
Das M-Classic-Himbeerjoghurt von Migros beispielsweise enthält Karottensaftkonzentrat für die Farbe und zusätzliches, künstlich hergestelltes Aroma. Zusatzstoffe enthält auch das Bio-Joghurt von Migros: Holundersaft und natürliche Aromen. Sowohl die EU- als auch die Schweizer Bio-Verordnung lassen solche Zusatzstoffe zu. Lebensmittelingenieurin Regula Bickel: «Ein natürliches Aroma ist natürlich, wenn es irgendwo in der Natur vorkommt. Das Aroma muss nicht aus der Himbeere gewonnen werden». Ganz anders beim Joghurt mit der Bio-Knospe von Coop. Bio Suisse verbietet diese Zusatzstoffe.
Bio-Joghurts ohne Zusatzstoffe schmecken oftmals etwas weniger intensiv oder einfach nicht so wie wir es uns gewohnt seien, sagt Regula Bickel vom Fibl. Ein Nachteil für die Bio-Branche, denn die meisten Konsumentinnen und Konsumenten seien nach all den Jahren auf Joghurt mit zusätzlichen Aromastoffen konditioniert.