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Bezahlabos verärgern Kundschaft
Aus Espresso vom 12.09.2024. Bild: Keystone
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Dicke Luft bei der Kundschaft Nur mit Abo ist der smarte Stecker weiterhin richtig smart

Die Schweizer Firma Mystrom führt ein Abo-Modell ein. Und stösst damit einige Kundinnen und Kunden vor den Kopf.

«Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich diese Geräte damals nicht gekauft», sagt der Besitzer von vier smarten Steckdosen von Mystrom. Diese können unter anderem den Stromverbrauch messen und lassen sich mit dem Smartphone verbinden. Über eine App können die Nutzerinnen und Nutzer den Verbrauch ablesen.

Und sie können unter anderem auch die verbundenen Geräte ein- und ausschalten. Diese Software war bislang kostenlos. Eine sinnvolle Idee, um den eigenen Stromverbrauch zu messen, zu steuern und Kosten zu sparen.

Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich diese Geräte nicht gekauft.
Autor: Mystrom Kunde

Für seine vier Messgeräte hat jener Kunde insgesamt rund 200 Franken bezahlt. Eines davon benötigte er, um zu messen, wie viel Strom seine Balkonsolaranlage produziert. Interessant sei für ihn vor allem der grosse Überblick gewesen – die Werte eines Tages, Monats oder Jahres.

Mit dem Gratis-Abo ist nicht mehr viel möglich

Das geht nun nicht mehr. Der Zähler wurde auf null zurückgesetzt. Grund: Seit Anfang August 2024 gelten bei Mystrom neue allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Jener Kunde hat diesen AGB nicht zugestimmt. Genauer gesagt: Er hat auf eine entsprechende Information der Firma im Juni gar nicht reagiert.

Mit den neuen AGB verbunden ist ein neues Geschäftsmodell. Die Software für die smarten Steckdosen ist neu an ein Abo-Modell gekoppelt. Die Preise sind mit 3.50 bis 29 Franken pro Jahr moderat. Mit der teuersten Version lassen sich unter anderem ganze Lichtsysteme im Haus oder der Wohnung steuern.

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Im Angebot ist auch ein Gratis-Abo. Damit lässt sich aber nicht mehr viel anstellen. Zum Beispiel erhält man nur noch einmalig die Verbrauchsstatistik über sieben Tage. Wer die Jahreszahlen will, muss notgedrungen etwas bezahlen. Diesen und andere Kunden stört dabei weniger der Abo-Preis.

Das sei ja wirklich nicht viel. Es geht ihnen ums Prinzip. Er wolle sich nicht von den Herstellern digitaler Geräte in den Abo-Dschungel drängen lassen, sagt der Mystrom-Kunde im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso»: «Dem muss man einen Riegel schieben.»

Auch ein anderer Kunde, der sich bei SRF gemeldet hat, fühlt sich vor den Kopf gestossen. Er hat gleich sieben Geräte bei sich zu Hause installiert. Auch er lehnt die neuen AGB ab, hat dies aber dem Anbieter schriftlich mitgeteilt. Mystrom gewährt ihm nun noch ein Jahr mit voller Leistung – als Übergangsfrist.

Mystrom: Abos als wirtschaftliche Notwendigkeit

Mystrom-Chef Tom Kienle schreibt SRF: «Die Abos sind eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Ohne sie geht das Business mittelfristig nicht mehr auf.» Die Kosten für Betrieb, Service und Support seien stetig gestiegen, die Margen gesunken. Es gebe insolvente Geschäftspartner mit offenen Rechnungen. Man sei deshalb auf zusätzliche Einnahmen angewiesen.

Rechtsexperte: «Das geht gerade noch durch»

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Ist es rechtlich korrekt, was die Firma Mystrom macht? Das wollen zwei Kunden von Mystrom von SRF wissen. Vertragsrechtsexperte Frédéric Krauskopf, Professor an der Universität Bern, sagt: «Dieses Vorgehen ist zwar unangenehm und nicht gerade kundenfreundlich. Es geht rechtlich aber gerade noch so durch.» Einseitige AGB-Änderungen seien unterdessen an der Tagesordnung.

Wichtig sei unter anderem, dass die Firma die Kunden rechtzeitig darüber informiere und ihnen ausreichend Zeit gebe, um zu reagieren. Das sei in diesem Fall eingehalten worden. Zudem halte er die Abo-Preise für sehr tief, so Krauskopf. Auf der anderen Seite sei es aber schon eine tiefgreifende Systemänderung, wenn eine kostenlose Leistung in ein Abo-System überführt werde. Überdies sei es in den alten AGB nicht klar festgehalten, dass man mit einem solchen Wechsel rechnen müsse.

Kienle berichtet von teils heftigen Reaktionen, die seine Firma wegen der Einführung des Abo-Modells erhalten habe. Er kann sie nicht wirklich nachvollziehen – auch wegen der tiefen Abo-Tarife. Überdies gewähre man den bestehenden Kunden Übergangsfristen und kostenlose Gratismonate – je nach Eröffnungsdatum des Kontos.

Der Wechsel zum neuen Geschäftsmodell habe man auch von Juristen begleiten lassen.

Espresso, 12.9.2024, 8:10 Uhr

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