Um jetzt schon Strom zu sparen, schlägt der Bundesrat vor, die Temperatur im Kühlschrank zu erhöhen: von fünf auf sieben Grad. Doch was macht das mit den gekühlten Esswaren – insbesondere den heiklen, wie Fisch, rohem Fleisch, Fertigsalaten, Käse oder Milch?
Was passiert, wenn man diesen Hinweis ignoriert? Gilt das Verbrauchsdatum noch oder verderben heikle Waren dann schneller – was dann wiederum für mehr Foodwaste sorgt? Da sind sich Expertinnen nicht einig.
Corinne Gantenbein, Dozentin und Lebensmittelbiologin an der ZHAW und Expertin in Sachen Lebensmittelhaltbarkeit, ist der Meinung, die zwei Grad mehr im Kühlschrank merke der Konsument nicht: «Es handelt sich, wenn überhaupt, um Stunden, einen halben Tag oder maximal einen Tag Unterschied.»
Lebensmittelhersteller kalkulieren «Fehlermarge» ein
Corinne Gantenbein sagt, die Lebensmittelhersteller hätten bei ihren Haltbarkeitsangaben bereits eine gewisse «Fehlermarge» einkalkuliert. Untersuchungen hätten gezeigt, dass viele Kühlschränke schon im Normalbetrieb bei sieben Grad oder höher eingestellt sind. Die Lebensmittelproduzenten würden zudem davon ausgehen, dass Produkte nicht optimal gelagert werden und dies einberechnen.
Nicht ganz so unproblematisch sieht es die stellvertretende Kantonschemikerin des Kantonalen Labors Zürich, Nadine Gerber. Bei leicht verderblichen Esswaren spiele die richtige Temperatur eine entscheidende Rolle für Qualität und Sicherheit: Je niedriger die Kühlschranktemperatur, desto weniger Mikroorganismen könnten sich entwickeln.
Öfter einkaufen und Esswaren schneller verbrauchen
«Wenn ich den Kühlschrank wärmer einstelle, muss ich mir dessen bewusst sein und das Management der Lebensmittel gut im Griff haben», so Gerber. Management heisst: «Mehrmals in der Woche einkaufen, damit die Esswaren nicht so lange im Kühlschrank sind, und gekochte Resten schneller essen.»
Auch mit geschicktem Einräumen des Kühlschranks könne man einiges herausholen. «In der Türe und oben sind die höchsten Temperaturen. Auch sollte der Kühlschrank nicht leer sein», sagt die stellvertretende Kantonschemikerin. Esswaren aus dem Tiefkühler solle man zudem im Kühlschrank auftauen.
Coop beim Bund vorstellig wegen Kühlschranktemperatur
Nicht glücklich über die Stromsparempfehlung des Bundes ist der Grossverteiler Coop. Gemäss Recherche von «Espresso» hat sich der Detailhändler diese Woche mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) getroffen. Coop bestätigt dieses Treffen. Man habe «Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit der vom Bund ausgesprochenen Empfehlung platziert und um eine Präzisierung gebeten». An Etiketten, Verbrauchsdatum und am Hinweis «bei höchstens fünf Grad aufbewahren» werde Coop nichts ändern.
Auch Umweltwissenschaftler und Foodwaste-Experte Claudio Beretta von Foodwaste.ch ist skeptisch. Er hält die Empfehlung des Bundes für heikel. Wenn als Folge mehr Esswaren fortgeworfen würden, sei schlussendlich mehr Schaden angerichtet als Nutzen, ist Beretta überzeugt.
Beim BLV heisst es auf Anfrage, die Erhöhung der Kühltemperatur würde einen Beitrag zum Energiesparen leisten. Dies habe aber einen Einfluss auf die Haltbarkeit und somit auch auf das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten. Die wichtigsten Punkte habe man online publiziert.