Viele, die Angehörige in einem Alters- oder Pflegeheim untergebracht haben, fühlen sich bei Problemen vom Heim nicht ernst genommen.
Das bestätigt auch Albert Wettstein von der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter UBA: «Wir hören oft von solchen Konflikten. Ursache ist häufig eine fehlende Kultur in der Zusammenarbeit von Angehörigen und Heimpersonal.» Abhilfe soll ein neuer Beruf schaffen: Der Angehörigen-Supporter.
In der Schweiz handelt es sich dabei immer noch um ein eher exklusives Angebot. Erst ein paar Dutzend Leute haben diese Ausbildung absolviert, darunter auch die Pflegefachfrau Susanne Aeschlimann. Als Supporterin ist sie rund einen Tag in der Woche ganz für die Angehörigen der Heimbewohner da.
Häufig plagt das schlechte Gewissen
Gerade für die Familie ist der Übertritt ins Alters- oder Pflegeheim oft ein schwieriger Schritt. Der Rollenwechsel, der auf die Kinder oder Partner zukommt, werde massiv unterschätzt, weiss Susanne Aeschlimann.
«Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Menschen sieben Tage die Woche begleitet und auch Verantwortung übernommen, und plötzlich ist dieser an einem anderen Ort. Auf einmal ist da sehr viel Lebensraum, den man nicht mehr zu füllen weiss.»
Als Supporterin im Altersheim Reichenbach ist Susanne Aeschlimann ganz Ohr für die Sorgen der Angehörigen. Genutzt wird diese Angebot sehr unterschiedlich: Einige kommen jede Woche vorbei, andere nur alle paar Monate.
Dabei geht es hauptsächlich um ein Problem: «Was immer wieder angesprochen wird, ist das schlechte Gewissen und auch die Angst, wie Aussenstehende auf einen Heimeintritt reagieren. Viele Angehörige erleben diesen Schritt als eigenes Versagen», erzählt die Angehörigen-Supporterin.
Pflegepersonal und Angehörige gehen aufeinander zu
Genauso ging es auch Esther Krähenbühl. Die 78Jährige pflegte ihren dementen Ehemann zehn Jahre zu Hause, bis es irgendwann unmöglich wurde. Auch sie wurde vom schlechten Gewissen geplagt: «Mein Mann wollte immer wieder nach Hause, und wir mussten ihm erklären, dass das nicht möglich ist. Das war die schlimmste Zeit.»
Die Unterstützung der Angehörigen-Supporterin kam da sehr gelegen. Esther Krähenbühl erinnert sich: «Wenn mein Mann nach einem Besuch mit mir nach Hause gehen wollte, betreute und begleitete die Supporterin ihn.
Sie kümmerte sich auch stets um mich und war immer eine grosse Hilfe.» Sogar nach dem Tod ihres Mannes habe Esther Krähenbühl weiterhin Unterstützung vom Heim erhalten.
Das Altersheim Reichenbach bietet den Angehörigen-Support seit rund vier Jahren an. Und das kommt gut an. Die Angehörigen schätzen sehr, dass sie gesehen und gehört werden.
Und das hilft auch dem Personal, wie Susanne Aeschlimann weiss: «Angehörige und Pflegepersonal wissen oft nicht, wie sie miteinander umgehen sollen. Dank des Supports geht man nun eher aufeinander zu und wird zum Team.»
«Die Angehörigen haben ein Recht, begleitet zu werden.»
Das Angebot ist für die Angehörigen kostenlos. Allerdings kann das Heim die 20 Stellenprozent nicht an die Gemeinde oder Krankenkasse weiterverrechnen.
Trotzdem ist die Heimleiterin Annemarie Kempf überzeugt davon: «Es ist eine grosse Entlastung für die Pflege. Ausserdem haben die Angehörigen das Recht, begleitet zu werden. Vorher konnten wir das nicht richtig tun, doch jetzt ist das möglich.»
Für die Heimleiterin ist das ein sehr wichtiges Angebot und sie würde sich wünschen, dass dies in allen Heimen obligatorisch wird.
Ausbildung an der Berner Fachhochschule
Den in der Schweiz bislang einmaligen Lehrgang «DAS Angehörigen- und Freiwilligen-Support» kann man an der Berner Fachhochschule belegen. Den Studiengang kann man berufsbegleitend machen, er dauert zwei Jahre.
Geeignet ist er in allen Berufen, wo die Arbeit mit Angehörigen wichtig ist. Also beispielsweise in der Spitex oder der Freiwilligen-Arbeit. Studiengangleiterin Elsmarie Stricker bezeichnet die Ausbildung als grossen Erfolg.
Alle Personen, welche die Ausbildung abgeschlossen hätten, würde heute als SupporterIn arbeiten. Mehr Informationen auf alter.bfh.ch