«Wir müssen dann arbeiten, wenn es für den Kunden notwendig ist», sagt Dominik Bürgy. Der Vorsitzende von Allianz Denkplatz Schweiz will die wöchentliche Höchstarbeitszeit aufheben und nur noch eine vorgeschriebene Jahresarbeitszeit einführen. «Innerhalb dieses Rahmens wollen wir uns die Arbeit flexibel einteilen können», sagt Bürgy.
Flexible Arbeitszeiten bedeuten oft mehr Überstunden
Die Flexibilität im Schweizer Arbeitsalltag nimmt stetig zu. Bereits die Hälfte der Schweizer Angestellten haben heute flexible Arbeitszeiten. Dies ist grundsätzlich eine positive Sache. Denn: Erwerbstätige, die selber ihre Arbeitszeiten bestimmen können, sind insgesamt zufriedener.
Das Problem: Der Grossteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit flexiblen Arbeitszeiten macht auch deutlich mehr Überstunden als Angestellte mit fixen Zeiten. Dies zeigen verschiedene Studien.
Laut Bundesamt für Statistik leisteten alle Arbeitnehmer in der Schweiz im Jahr 2015 gesamt fast 200 Millionen Überstunden. Hinzu kommt, dass diese nicht selten unbezahlt bleiben.
Bürgerliche fordern Reduktion beim Arbeitnehmerschutz
CVP-Ständerat Konrad Graber eilt der Allianz Denkplatz Schweiz mit einer Parlamentarischen Initiative zu Hilfe. Er will «den Bedürfnissen des Denk- und Werkplatzes Schweiz durch eine Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes Rechnung tragen», wie er in seiner Initiative schreibt.
Konkret fordert er unter anderem eine Reduzierung der Ruhezeit, eine Aufhebung des Sonntagsarbeitsverbots. Auch will er das Recht abschaffen, Überstunden bei Familienpflichten ablehnen zu dürfen – wie etwa die Betreuung kranker Kinder.
Auch FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter schlägt in die gleiche Kerbe: Sie will die Aufhebung der gesetzlich vorgeschrieben Arbeitszeiterfassung wesentlich ausweiten. Heute sind erst ca. 15 Prozent der Erwerbstätigen von der Pflicht der Zeiterfassung ausgenommen.
Nach den Ideen von Ständerätin Keller-Sutter sollen leitende Arbeitnehmer mit gewisser Autonomie, sowie Fachspezialisten in vergleichbarer Stellung die Arbeitszeiten nicht mehr erfassen müssen.
Gewerkschaften: «Politik will den Wilden Westen»
Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB sind die politischen Vorstösse ein Frontalangriff auf den Arbeitnehmerschutz. «Das Schweizer Arbeitsgesetz gilt heute schon als das liberalste in Europa», sagt Luca Cirigliano, SGB-Zentralsekretär.
Die neuen Forderungen seien extrem: «Da will man den Wilden Westen einführen.» Und das zu einem Zeitpunkt, wo erst gerade eine Deregulierung vorgenommen wurde, die am 1. Januar 2016 in Kraft getreten sei, so Cirigliano.
«Vertrauensarbeitszeit birgt klare Risiken», weiss Andreas Krause, Professor für Arbeitspsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er hat eine Studie dazu verfasst. «Es wird mehr gearbeitet, auch eher in der Freizeit. Es wird auch tendenziell eher gearbeitet, obwohl man krank ist», warnt Krause mit Blick auf seine Studienresultate.
Die gesundheitlichen Gefahren
Andreas Krause warnt zudem vor Wochenarbeitszeiten von über 50 Stunden, wie sie Dominik Bürgy und anderen vorschweben.
Aus der Forschung wisse man, dass wenn «Personen über einen längeren Zeitraum 48 oder 50 Stunden arbeiten, das Gesundheitsrisiko – darunter Herzkreislauferkrankungen – erhöht sei», sagt Krause. Nicht nur sei die Gefahr von Unfällen grösser, man arbeite letztendlich auch weniger effizient, so Krause.
Für Dominik Bürgy und die Befürworter überwiegen die Vorteile einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeiten klar. Kraft könne man nicht nur aus Familie und Freizeit, sondern auch aus der Arbeit schöpfen, so Bürgy.
Ausserdem: «Wir leben in einer digitalisierten und mobilen Welt, insbesondere im Dienstleistungsbereich. Und das Arbeitsgesetz ist nicht auf das ausgerichtet. Das Arbeitsgesetz ist auf industrielle Arbeitsplätze mit sehr fixen Zeiten ausgerichtet.»