Der Umschlag war auf der hinteren Seite mit einem echten Siegel versehen. Der 10-jährige Junge, der den Brief erhalten hatte, war extrem neugierig. Doch die geheimnisvolle Post entpuppte sich als grosse Enttäuschung: Werbung für exklusiven Wein und ein Wettbewerb für eine Reise nach Frankreich.
Das Kind also enttäuscht, die Mutter entrüstet: Wie kann es sein, dass die Adresse eines 10-Jährigen in die Adressliste eines Werbeversands für Wein rutscht? Der 10-Jährige habe keinen Zugang zum Computer oder einem Smartphone. Wie also könne es sein, dass sein Name und die Adresse in diese Adressliste gelangt ist, sinniert die Mutter des Jungen gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».
Das Werbeschreiben für exklusiven Wein kommt von der Firma Vinum AG in Biel. Diese entschuldigt sich sofort auf die schriftliche Reklamation der Mutter und versichert ihr, dass die Adresse sofort gelöscht werde.
Adressen mieten für den Werbeversand
Das Weinunternehmen aus Biel ist insofern aus dem Schneider, als dass es die verwendete Adressliste selber gar nie gesehen hat. Eben, weil es diese Adressen nicht kauft, sondern für den einmaligen Versand bloss mietet. Dies geschah im konkreten Fall über eine Mittlerin, über die Firma Foxbox aus Eschlikon.
«Espresso» fragt bei der Geschäftsführerin Susi Wiget nach und erfährt, dass auch sie keinen Zugriff auf die Adresslisten hat: «Ich bin eine Adresslisten-Brokerin und suche für meine Kunden nach Zielgruppen. In diesem Fall suchte ich nach weinaffinen Männern ab 35 bis 40 plus.»
Diese Adressen stammten von Onlinekäufern, welche beispielsweise Weingläser kauften, oder ein Weinmagazin abonniert hätten. Bei einem Adresshändler aus Deutschland fand sie dann die geeignete Liste.
Robinson-Liste in der Branche akzeptiert
Diese Liste wurde dann an ein Rechenzentrum in der Schweiz übermittelt. Dort wurde sie standardmässig mit der Robinson-Liste abgeglichen. Diese wurde von der Marketing-Branche gegründet zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten. Wer sich auf die Robinson-Liste eintragen lässt, wird von adressierter Werbung verschont. In diesem Rechenzentrum werde die Liste dann auch noch auf Dubletten und falschen Adressen hin kontrolliert.
Die bereinigte Liste geht laut Listen-Brokerin Wiget schliesslich direkt in die Druckerei und wird anschliessend im Rechenzentrum gelöscht. Auch die Druckerei lösche die Adressen nach dem Postversand umgehend.
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Rätsel ungelöst
Weshalb die Weinwerbung dem 10-jährigen Bub geschickt wurde, bleibt bis zum Schluss ein Rätsel. Bei der Listen-Inhaberin in Deutschland hiess es offenbar auf Anfrage von Susi Wiget, der Junge sei dort als 45-Jähriger registriert, also mit Jahrgang 1973. Selbstverständlich werde die Adresse umgehend gelöscht.